Texte:Nichts - Negation - Anderes: Unterschied zwischen den Versionen

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(6. Die erste Negation der Negation als "Insichsein")
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==7. Das Problem der "Überleitung"==
 
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Das „Etwas“ ist – als Negation der Negation – die Negation der Realität und der Negation. Es hebt beide auf, enthält aber auch beide in sich. Insofern es beide nicht ist – aber beide als einander entgegen gesetzte enthält –, ist das Etwas
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a. durch die Negation beider vermittelt,
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b. aber ohne einen vermittelnden und bestimmenden Prozess vermittelt; denn
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der Prozess ist mit dem Werden verschwunden; das Etwas ist „negative
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Einheit“, durch die Negation seiner Momente in die Unmittelbarkeit
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vermittelt. Das Etwas ist die als Beziehung verneinte Beziehung von Realität
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und Negation.
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Insofern das „Etwas“ unmittelbar und prozesslos in die Unmittelbarkeit vermittelt ist, ist es selbst unbestimmt und – als unmittelbar – Sein. Etwas fordert aber seinem Begriff nach Bestimmtheit. Es geht daher nun darum, das Etwas zu bestimmen. Denn da die Momente vom Etwas selbst aufgehoben werden, können sie die Bestimmtheit des Etwas selbst nicht ausmachen. Um das Etwas selbst zu bestimmen, geht Hegel davon aus, dass das Etwas, das unmittelbar unbestimmt ist, als Daseiendes Resultat einer es vermittelnden – wenn auch verschwundenen – Bewegung ist.
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Das Etwas ist, und es ist Daseiendes. Als solches ist es vermittelt durch den – verschwundenen – Prozess des Werdens. Es ist also an sich Werden, aber nicht Werden überhaupt, sondern konkreter Werden eines Etwas. Die Momente dieses Werdens sind nicht mehr Sein und Nichts als solche wie beim Werden überhaupt, sondern die Momente sind – als Momente der Bestimmung des Etwas – bestimmter:
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1. Das Moment des Seins am Etwas ist das Dasein, und weiter das Daseiende.
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2. Das Moment des Nichts ist ebenso ein Daseiendes, aber nicht das Daseinende,
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das als das erste Moment auftrat, sondern ein gegenüber diesem ersten Moment
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Negatives. Es ist also einerseits als Daseiendes, also als Etwas bestimmt,
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andererseits zugleich als ein Daseiendes, das nicht dasselbe mit dem Etwas
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ist, das als das erste Moment auftritt. Insofern ist es als ein anderes
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Etwas, als ein Anderes bestimmt.
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Dabei verändert sich das Etwas zunächst nur in seinem Begriffe. Es erhält sich in dieser Veränderung. Daher ist das Andere nur ein Anderes überhaupt. Denn es wird zunächst noch nicht als Etwas ein Anderes, sondern unterscheidet seine Beziehung auf sich selbst von seiner Beziehung auf etwas Anderes. Es bezieht sich daher auf ein Anderes überhaupt. Erst wenn das Etwas durch eine Veränderung bestimmt ist, die es aus etwas Anderem hervortreten lässt – und dann auch in etwas Anderes übergehen lässt, erst dann wird die Veränderung so gedacht, dass das Etwas als das Andere vermittelnd und durch das Andere vermittelt gedacht ist, und erst dann ist die Veränderung als die Bestimmung des Etwas – wie sich Hegel ausdrückt – gesetzt.
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Dieser Übergang wird gewonnen durch die spezifische Form, die der das Etwas bestimmende Prozess der Veränderung durch seine Momente erhält. Etwas erhält sich zunächst in seiner Veränderung gegen ein Anderes überhaupt, etwas endet in etwas Anderem und entsteht aus etwas Anderem, und etwas geht in etwas Anderes über. Schließlich geht das Etwas als Etwas in sein Anderes über, das dann auch kein Etwas mehr sein kann, sondern die Differenz des Etwas und des Anderen – oder die Endlichkeit – aufhebt und überwindet. In all diesen Prozessen geht es um die Bestimmung des Etwas selbst, die es in seiner Veränderung erhält.
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Der Übergang, so meint Henrich, werde mit schwachen Argumenten bewerkstelligt. So kann man es sehen. Denn der Übergang ergibt sich aus einem Mangel des Begriffs des Etwas: Das Etwas ist – insofern es erste Negation der Negation, die Negation der Realität und der Negation ist – unbestimmt. Der Begriff des Etwas erfordert aber die Bestimmtheit des Etwas. Es ist, um zur erforderlichen Bestimmtheit des Etwas selbst zu gelangen, notwendig voranzugehen. Es ist – wie beim Übergang vom Sein und Nichts zum Werden – nicht ein Übergang aus der Vollkommenheit des Gedankens. Der Gedanke ist nicht vollständig durchdacht und bestimmt, so dass nach wohl abgewogenen Argumenten zum nächsten Gedanken fort gegangen werden könnte. Im Gegenteil: Das Denken wird von dem Gedanken, den es denkt, wegen dessen Unvollkommenheit zum nächsten Gedanken vorangetrieben. Es ist der Mangel des Gedankens, dass das Etwas als solches noch nicht bestimmt ist, aber der Bestimmtheit bedarf, um als Etwas gedacht werden zu können, der das Denken vorantreibt. Allgemein lässt sich sagen: Solche begrifflichen Mängel bestimmter Gedanken sind es, die das Denken in der Logik Hegels vorangehen lässen. In Hegels Worten: „Das, wodurch sich der Begriff selbst weiterleitet, ist das … Negative, was er in sich selbst hat; dies macht das wahrhaft Dialektische aus.“ (WdL, 5, S. 51) Der Übergang ist notwendig, – nicht weil Argumente dafür sprechen, überzugehen, sondern – weil der gedachte Gedanke mangelhaft ist und das Denken über sich hinaustreibt zu einem anderen Gedanken.
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Das Anderssein zeigt sich in dieser Überlegung nicht, oder jedenfalls nicht nur – wie Henrich will – als „Andersheit“. Denn es ist seinem Begriffe nach gedacht als verbunden mit oder gar Resultat einer Veränderung. Nur solange das Etwas sich nur in seinem Begriffe ändert – wie Hegel das nennt –, d. h. nur so lange es sich selbst in seiner Veränderung gegen ein Anderes überhaupt erhält, kann man „Anderssein“ (wenn man vom Prozess abstrahiert) als „Andersheit“ auffassen. Wenn aber die Veränderung das Etwas selbst erreicht, zeigt sich, dass diese Ersetzung des Begriffs des „Andersseins“ durch den Begriff der „Andersheit“ eine Verstellung des Gedankens von Hegel nach sich zieht. Denn eine – als vermittelnd und vermittelt gedachte und somit am Etwas als es bestimmende Bewegung gesetzte – Veränderung hebt den Anfangszustand auf, oder in der Sprache Henrichs: Es „eliminiert“ ihn. Wird der Anfangszustand nicht „eliminiert“, so kann man von einer das Etwas als solches bestimmenden Veränderung nicht sprechen. „Andersheit“ dagegen ist – das ist die Pointe von Henrichs Argument der „Zweistelligkeit“ – die Beziehung zweier, die als in einer Beziehung stehend gesetzt werden. „Andersheit“ ist eine Abstraktion von dem ruhenden Verhältnis von Etwas und Anderem. Auf einen Veränderungsprozess lässt sie sich nicht anwenden. „Anderssein“ umfasst auch das Resultat eines Veränderungsprozesses, wobei das Resultat den Anfang des Prozesses und den Prozess als solchen als aufgehoben in sich enthält, aber gerade nicht in einem Verhältnis der Andersheit zu seinem – aufgehobenen – Anfang steht. Wenn also Henrich schreibt: „’Andersheit’ wird hier in derselben Bedeutung wie ‚Anderssein’ gebraucht.“ (vgl. Fußnote 5 des Textes von Henrich, S 219 bzw. 228), dann täuscht er sich nicht nur über seine Verwendung des Wortes, sondern vor alle auch über den Begriff des Andersseins.
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Das Etwas, so meint Henrich, generiere „den Sätzen analoge Prozesse“ (S. 217). Zunächst ist nach Hegel das Etwas selbst Resultat von Prozessen. Denn es gibt nach Hegel nichts, was nicht Resultat eines Prozesses wäre. (Das ist die Pointe des Anfangs der Hegelschen Logik für die Vorstellung.) Dann aber sind nicht die Prozesse analog zu Sätzen aufzufassen, sondern umgekehrt die Sätze analog zu Prozessen. Denn Sätze sind einerseits selbst Prozesse, insofern vom Subjekt zum Prädikat übergegangen wird. <ref> Vgl. G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes. In G.W:F: Hegel, Werke in 20 Bänden. Bd. 3, Frankfurt 1970. Vorrede, S. 57 – 60. Hegel analysiert hier den Satz als einen Übergang von Subjekt zu Prädikat. Er sagt, dass die Form des Satzes seinem Inhalt widerspricht. Wer in einem Satz die Wahrheit zum Ausdruck bringen will, muss nach Hegel Sätze formulieren, in denen das Prädikat dasselbe sagt wie das Subjekt, und so der Übergang vom Subjekt zum Prädikat im Satz eine Gegenbewegung erfährt, insofern genauso vom Prädikat zum Subjekt übergegangen werden kann und letztlich muss. Nur in diesem Falle – dem des „spekulativen Satzes“ – kann in einem Satz die Wahrheit ausgesprochen werden. Genau genommen hebt sich bei einem wahren Satz der Übergang vom Subjekt zum Prädikat durch einen Gegenstoß selbst auf. </ref> Andererseits sind sie als solche der Veränderung entzogen.<ref> Vgl. G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, a. a. O., im Kapitel „Die Sinnliche Gewissheit oder das Diese und das Meinen“ S. 84 f. In der Erfahrung der sinnlichen Gewissheit zeigt sich, dass ein Satz die unmittelbare Wahrheit nicht zu formulieren vermag, dass also die vermittelnde Form des Satzes der Unmittelbarkeit des behaupteten Inhalts widerspricht. </ref> Sie gelten für einen immer wieder – und unverändert – zu vollziehenden Übergang. Ein Prozess dagegen – das hatte sich bei der Betrachtung des Werdens ergeben – hebt sich selbst auf. Ein Satz ist entweder eine Abstraktion von einem Prozess, insofern er einen Übergang vom Subjekt zum Prädikat enthält oder macht, oder er widerspricht Prozessen überhaupt, insofern er als Satz seiner eigenen Veränderung entzogen bleibt. Für ein Denken, das sich selbst nicht wie ein Operieren denkt, sind nicht Prozesse analog zu Sätzen zu denken, sondern umgekehrt Sätze analog zu Prozessen.
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Das „Sich selbst Aufheben der Prozesse“ unterscheidet das Denken der Hegelschen Logik von Denkformen, die darauf beruhen, dass etwas „konstituiert“ wird, dass „Kategorien angewendet“ werden oder dass „Gedanken vollzogen“ werden. Ebenso ist die Vorstellung von einem Denken, das wie ein Anwenden von „Funktionen“ wäre, fernzuhalten, wenn es um das Verständnis von Hegels Logik geht. Denn in all diesen Formulierungen wird angenommen, dass Gedankenbewegungen in sich stabil und immer auf die gleiche Weise wiederholbar sind oder – anders formuliert – dass sie als solche bestimmt sind und bleiben, und dann angewendet werden können. Das ist bei den Gedanken, wie Hegel sie in der „Wissenschaft der Logik“, also beim Denken des Denkens denkt, nicht der Fall, sondern allein bei einem Denken, das auf Anwendung zielt. Nach Hegel heben sich die als Prozesse gedachten Gedankenbewegungen beim Denken des Denkens selbst auf. Sie machen sich selbst ein Ende und sind, gerade insofern sie das tun, unendlich. Der Begriff des Werdens, dem alle Prozesse unterliegen, hebt sich selbst auf. Alle anderen Prozesse folgen ihm als solche darin. Umgekehrt ist ein Denken, das sich selbst wie ein Operieren denkt, nicht in der Lage, die eigenen Operationen als sich selbst aufhebend zu denken. Die Operationen sind zwar endlich, insofern sie als einander und dem Inhalt entgegengesetzt vorgestellt werden, auf den sie angewendet werden. Aber sie heben sich nicht selbst auf; sie bleiben – und doch sollen sie endlich sein.
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==8. Das Anderssein an sich==
 
==8. Das Anderssein an sich==

Version vom 16. April 2008, 08:44 Uhr

Nichts - Negation - Anderes
Eine Kritik an Henrichs "Formen der Negation in Hegels Logik"
von Stephan Siemens
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An der Bedeutung Henrichs für die Aneignung der Philosophie des deutschen Idealismus und insbesondere Hegels kann kein Zweifel bestehen. Viele Philosophinnen und Philosophen haben sich in ihrem Zugang zu dieser philosophischen Epoche von Henrich leiten lassen. Das gilt auch für den Verfasser. Insofern ist eine Kritik an Henrichs Verständnis der Hegelschen Negation auch eine Selbstkritik des Verfassers. Henrich hat mit Recht das Denkens des Denkens in den Mittelpunkt seiner Forschung zu Hegel gerückt.


1. Anschlussfähig an die Gegenwart?

Henrich hat als phänomenologisch orientierter Philosoph versucht, das Denken Hegels in einer Zeit zum Gegenstand der Diskussion zu machen, als die analytische Philosophie zu dominieren begann. Das gilt auch für den hier zu erörternden Artikel: „Formen der Negation in Hegels Logik“.[1] Inzwischen ist das Grundproblem der analytischen Philosophie durch ihre weitere Ausarbeitung mehr und mehr hervorgetreten. Wer über das Denken nachdenkt, und das auf eine wissenschaftliche Weise tut, der kann bestimmte – ursprünglich aus der analytischen Philosophie als „metaphysisch“ ausgegrenzte – Fragestellungen nicht vermeiden. Auch in der analytischen Philosophie kehrten folgerichtig diese Fragen wieder, die mit dem Denken des Denkens verbunden sind. Von daher ergab sich auch in der analytischen Philosophie eine Zuwendung zu den Problemen, die in der klassischen Philosophie behandelt wurden. Ursprünglich jedoch hatten die Vertreter der analytischen Philosophie geglaubt, diese Probleme durch ihre Methode, die formale Logik im Anschluss an Frege, Wittgenstein und Russell, aus der philosophischen Literatur als „sinnlos“ ausschließen zu können. Nun – da diese Probleme zurückkehren – wenden die Vertreter der analytischen Philosophie ihre Methode auch auf diese Probleme an. Dementsprechend haben die analytischen Philosophen die Rechtfertigung ihres Tuns in sein Gegenteil verkehrt. War es am Anfang das erklärte Ziel, die philosophischen Diskussionen, die „endlos“ schienen, zu beenden, so verweisen die Vertreter der analytischen Philosophie heute darauf, dass die inzwischen endlos gewordenen Diskussionen in der analytischen Philosophie selbst fruchtbar seien. Es ergeht der analytischen Philosophie so wie jeder philosophischen Position, die sich durchgesetzt zu haben glaubt: Sie reproduziert die Widersprüche, die sie gegen die anderen philosophischen Positionen geltend machen wollte, von ihren eigenen Voraussetzungen aus, (Eine solche Entwicklung hat Hegel immer wieder treffend analysiert. Nun hat sie auch die analytische Philosophie eingeholt.) Es ist an dieser Entwicklung zu begrüßen, dass sich daraus eine Annäherung der Problemstellungen der analytischen Philosophie mit der klassischen Philosophie ergibt.

Die Besonderheit der analytischen Philosophie aber ist, dass die Methode, mit der sie die Probleme der klassischen Philosophie aufgreift, ausdrücklich dafür ungeeignet sein sollte. So ergibt sich – wo in der klassischen Philosophie mit ernstzunehmenden Argumenten gestritten wird – eine seltsame Beliebigkeit in der Wahl sogenannter „Gedankenexperimente“ die in der Tat vorführen, dass die angewendeten Methoden wissenschaftlichen Kriterien des Denkens des Denkens nicht genügen können. Es zeigt sich eine – wenn man so will „postanalytische“ – Notwendigkeit, sich erneut mit den Antworten auseinander zu setzen, die die traditionelle Philosophie auf die Fragen des Denkens des Denkens gegeben hat. Insofern ist eine neue Aneignung der klassischen Philosophie an der Zeit. Eine solche gedankliche Auseinandersetzung muss sich zu gleich mit den Problemen auseinandersetzen, die die zum Aufkommen der analytischen Philosophie zeitgleiche Interpretation der klassischen Philosophie aufgeworfen hat.

Eine solche neu notwendige Auseinandersetzung mit der klassischen Philosophie kann sich jedoch nicht als „rationale Rekonstruktion“ verstehen. Denn auf diese Weise setzte man – darin wenig rational – die eigene Rationalität einfach voraus, im Gegensatz zu der interpretierten Philosophie. (So kann man sich verhalten, wenn man die Mittel der formalen Logik tatsächlich für das Ganze der Rationalität erklären wollte.) Zugleich setzt man den zu interpretierenden Gedanken Konstruktionen voraus, die eine „Rekonstruktion“ erlauben. Die Probleme, die es gegenwärtig in der Welt gibt, und die nicht zuletzt mit dem beschränkten Begriff wissenschaftlicher Rationalität zusammenhängen könnten, sich die eigene Rationalität in selbstkritischer Auseinandersetzung mit der Rationalität der klassischen Philosophie zu erarbeiten. Insofern ist eine Beschäftigung mit diesen Texten eine Form des Denkens des Denkens, wie sie gegenwärtig an der Zeit ist. Das Erarbeiten einer Rationalität, die den Anforderungen der gegenwärtigen Entwicklung der Welt an das menschliche Denken genügen kann, ist nur möglich in Auseinandersetzung mit der klassischen Philosophie. Einen wichtigen Einsatzpunkt dafür bietet Henrichs Artikel deswegen, weil er sich an einer analytischen Lesart nicht orientiert. Ihm geht es um ein Verständnis Hegels, das allerdings an Voraussetzungen scheitert, die Henrich als selbstverständlich erscheinen und die er daher verabsolutiert.

2. Henrichs Thesen

In Hegels Logik sieht Henrich ein Denken am Werk, das wie ein Anwenden von Operationen zu denken ist, insbesondere der Operation der Negation. „’Negation’ ist unstreitig eine der bedeutendsten methodischen Grundoperationen der Logik Hegels.“ (Henrich, S. 213) Dabei soll sich Hegel einer – ihm vielleicht unbewussten – Konfusion zweier Formen der Negation bedient haben. Unter dem Titel „Bestimmtheit“ (S. 219) vermengt Hegel die „einstellige“ Negationsform (wie in „Der Tisch ist nicht“, oder „Der Tisch ist nicht rund“) und die „zweistellige“ Negationsform als „Andersheit“ (wie in dem Satz „Der Tisch ist anders als der Stuhl“ oder anders formuliert: „Der Tisch ist nicht der Stuhl.) Henrich identifiziert in einer Fußnote „Anderssein“ mit „Andersheit“, indem er feststellt, dass er das Wort „Andersheit“ wie das Wort „Anderssein“ gebrauche. (Henrich, Fußnote 5, S. 219 bzw. 228.) Ein Übergang von der einstelligen Form der Negation als ontologisierter negativer Aussageform zur Form der Negation als „Andersheit“ werde von Hegel mit sehr schwachen Argumenten versucht. Dabei will Henrich offen lassen, ob sich bessere Argumente finden ließen. Henrich identifiziert die erste „einstellige“ Form der Negation mit der von Hegel so genannten „abstrakten“ Negation (Henrich, S. 216) und die davon unterschiedene „zweistellige“ Form der Negation mit der „dialektischen Negation“. (Henrich, S. 218)

Die „einstellige“ Negation, die sich aus der ontologisierten negativen Aussageform herleite, sei für die Operationen des Absprechens und des Eliminierens erforderlich. Dagegen sei der „zweistelligen“ Negation der „Andersheit“ das Eliminieren nicht eigentümlich. Daher ergebe sich für Hegel die Notwendigkeit der Konfusion er beiden Formen der Negation. (Henrich, S. 222) Hegel wolle das Selbstverhältnis als ein Fremdverhältnis konzipieren, und letzteres dann wieder aufheben. Insofern bestehe für ihn der „Zwang“ (S. Henrich, S. 222), ach der Negationsform der Andersheit die Fähigkeit des Eliminierens zuzusprechen. Das gelinge aber nur durch die Konfusion der „einstelligen“ Negationsform, die das Eliminieren zu denken erlaube.

Aber Hegel konfundiere nicht nur die Formen der Negation, sondern auch die Formen der Negation der Negation. Dabei nennt Henrich drei Formen:

a. die Negation der Negation als grammatische Regel, bei der die Nagation 
   allerdings beliebig wiederholbar ist. (Henrich, S. 217 und S. 220)
b. Die Negation der Negation als „Andersheit an sich“, in der die Negation als 
   selbstbezüglich gedacht ist (Henrich, S. 223) 
c. und die Negation der Negation als Insichsein, Fürsichsein, Subjekt 
   etc.(Henrich, S. 223), die 
   a. nicht als selbstbezüglich gedacht sei und sich dadurch von der  
      „Andersheit  an sich unterscheide, und die 
   b. nicht beliebig wiederholbar sei und sich so von der grammatischen Regel 
      der Negation der Negation unterscheide. 

Hegel habe kein Bewusstsein solcher Unterschiede gezeigt. Im Gegenteil habe er um der Systemkonstruktion willen die Konfusion genutzt. Denn er gewinne den Abschluss seines Systems, indem er die zweite Form der Negation der Negation unter die dritte Form der Negation der Negation subsumier, woraus sich der Begriff der absoluten Negativität ergebe. (Henrich, S. 224)

Henrich kommt zu dem Schluss, dass Hegel um der Realisierung des Systems willen die Formen der Negation und die Formen der Negation der Negation konfundiere. „Was sich aus übersehbaren Gründen durch die Verschiebung der Bedeutung natürlicher Operationen und Begriffe gewinnen lässt, das hat seinen Ursprung offenbar in dem konstruktiven Willen eines Theoretikers. Es kann nicht geradezu als Selbstdarstellung einer objektiven Vernunft gelten. (Henrich, S. 226) Daher dürfe man nie vergessen, dass sich die Hegelschen Begriffe „Ganz allein aus dem konstruktiven Zugriff der Theorie gewinnen“ (Henrich, 227) lassen. Es sei daher verfehlt, wie Henrich – mit Blick auf Friedrich Engels und die Marxistische Philosophie – feststellt, einzelne „Gesetze der Dialektik“ aus ihrem Zusammenhang, also der Hegelschen Philosophie, zu reißen und als solche anwenden zu wollen.

3. Das Problem der Bewusstheit der eigenen Operationen

Was an Henrichs Darstellung überrascht, ist der Eindruck, dass ihm selbst widerfährt, was er Hegel vorwirft: Er macht sich die Operationen seines Denkens nicht bewusst. Denn die erste der von ihm unterschiedenen Formen der Negation, die ontologisierte negative Aussageform, ist eine andere Form als die zweite, die der „Andersheit“. So stehen sich – wie es scheint – die beiden Formen der Negation einander nicht mit gleichem Recht gegenüber. Denn die zweite Negationsform ist geeignet, das Verhältnis der beiden Formen der Negation zueinander zu denken; die erste dagegen nicht. Das scheint Henrich nicht zu berücksichtigen.

Wenn Henrich überdies von der – für Hegel bestehenden – Notwendigkeit spricht, von der einen Form der Negation zu der andern „überzuleiten“ (Henrich, S. 219), dann hat er die beiden Formen der Negation in einer Einheit vorgestellt, die ihm selbst ebenso wenig bewusst zu sein scheint. Denn eine solche „Überleitung“ setzt dreierlei voraus:

1. einen – vom Leser zu vollziehenden – Übergang, der den Ausgangspunkt der 
   Bewegung „einstellig negiert“,  indem er vom Ausgangspunkt zum Resultat der 
   Bewegung führt, 
2. einen Autor, der Anfang und Resultat des Übergangs und ihr Verhältnis 
   zueinander kennt und darzustellen versucht, der also die „zweistellige“ 
   Negation der beiden Negationsformen im Auge hat, und 
3. die Darstellung dieses Verhältnisses im Rahmen eines Prozesses des seiner 
   selbst bewussten gedanklichen Übergehens, das die resultierende Bestimmung 
   aus dem Übergang heraus begreiflich zu machen erlaubt, und so betrachtet als 
   eine Einheit der einstelligen Form und der zweistelligen Form der Negation 
   aufgefasst werden kann.

Es ist allein aus der Wortbedeutung der „Überleitung“ an dieser Stelle vorstellbar, die beiden von Henrich unterschiedenen – und wenn man so will, eine dritte – Negationsformen in ihrer Einheit zu erfassen. Aber Henrich ist sich seiner Operationen so wenig bewusst, wie er glaubt, dass dies für Hegel zutrifft.

Hegel hat allerdings kein Bewusstsein seiner „Operationen“, weil er von sich glaubte, in der „Wissenschaft der Logik“ keine Operationen anzuwenden.[2] Denn Operationen setzen den Unterschied zwischen demjenigen, worauf die Operationen angewendet werden, und der Operation selbst voraus. Selbst wenn die Operation „thematisch“ wird, d.h. wenn die Operation selbst der Gegenstand einer Untersuchung sein soll, so bleibt die Trennung zwischen dem „operativen“ Gebruch und dem „thematischen“ Gebrauch für ein Denken, das wie ein Anwenden von Operationen gedacht wird, bestimmend. Die Trennung von Operation und Material, auf das die Operation „angewendet“ wird oder für das sie „gebraucht“ wird, ist aber zugleich die Trennung von Inhalt (Wert, Gedanke, Gegenstand) und Methode (Funktion, Operation, wie ein Operieren vorgestelltes Denken).

Hegel war es jedoch um einen „neuen Begriff wissenschaftlicher Behandlung“[3] zu tun, dessen Methode gerade nicht vom Inhalt zu trennen ist. Hegel sagt von seiner Methode, „dass sie die einzig wahrhafte ist. Dies erhält schon daraus, dass sie von ihrem Gegenstande und Inhalt nichts Unterschiedenes ist; – denn es ist der Inhalt in sich, die Dialektik die er an ihm selbst hat, welche ihn fortbewegt“. (Hegel, Bd. 5, S. 50) Hegel denkt sich also das Denken nicht wie ein Anwenden von Operationen, sondern wie eine Selbstbewegung der Gedanken selbst. Diese Bewegung der Gedanken soll die wahrhafte Methode des Denkens des Denkens sein, so dass es keiner vom Inhalt der Gedanken unterschiedener Operationen bedarf. Dieser Zusammenhang lässt sich auch umgekehrt formulieren: Operationen sind nach Hegel nur als solche nicht durchschaute Darstellungsformen der Selbstbewegung der Gedanken. Gilt es Hegel zu verstehen, so ist es dieser Sache nicht dienlich, sich seinem Anspruch, das Denkens einer objektiven Vernunft darstellen zu wollen, von vorneherein zu entziehen. Henrich hält diesen Anspruch für unhaltbar. Daher entzieht er sich ihm, wie sich noch zeigen wird, von vorneherein. Er rekonstruiert Hegels Denken in der – als rational vorausgesetzten – Form eines wie ein Operieren gedachten Denkens. In dieser Rekonstruktion gerät er notwendig in Konfusion. Aber diese Konfusion kann er kaum Hegel zuschreiben. Er muss sie dem Mangel zuschreiben, von Voraussetzungen ausgegangen zu sein, die zu dem Gegenstand, den er erfassen wollte, nicht passen wollen.

Henrich sich durchaus bewusst, dass er die Hegelsche Theorie der Negation nur äußerlich aufgreift. Er nennt deswegen die Hegelsche Negation auch eine methodische Operation, die er einem „Kunstgriff“[4] vergleicht, der sich weder der Analyse der natürlichen Sprache verdankt, noch durch die Analyse der Aussage erzwungen ist. Als Henrich aber die „Frage nach der Rechtfertigung“ der Hegelschen Theorie der Negation aufwirft, schreibt er selbst: „Hegel selbst hätte das konstruktive Element seiner Logik schwerlich anerkennen wollen. Er hat sie für eine deskriptive Theorie über die Elemente alles Denkens gehalten.“[5] Aber Henrich hat ein anderes Verhältnis zur Theorie: „Ist aber die Theorie konstruktiv, so muss sie sich aus dem rechtfertigen, was sie leistet.“ [6] Eine als Konstruktion äußerlich aufgenommene Theorie wird nicht nach ihrer Wahrheit beurteilt, sondern nach ihrer „Leistung“, wobei das Schöne ist, dass diese „Leistung“ nicht klar definiert zu sein braucht. (Denn das würde bedeuten, dass dafür ein unkritisiertes Denken der Leistung vorauszusetzen wäre.)

Eine solche allgemeine Bemängelung besagt jedoch nicht viel. Wie ist die Kritik Henrichs im Einzelnen zu bewerten? Denn im Konkreten muss sich zeigen, was Einheit von Inhalt und Methode heißen soll.[7]

4. Die erste Form der Negation

Denkt man sich das Denken wie die Selbstbewegung der Gedanken, so hat dies zwei Konsequenzen, denen man sich nicht stellen muss, wenn man sich das Denken wie ein Anwenden von Operationen vorstellt:

a. Das Denken kann nur wie die Bewegung der Gedanken selbst gedacht werden, 
   wenn die Gedanken sich in sich selbst bewegen. Gedanken, die sich nicht in 
   sich selbst bewegen, sind entweder nur als Abstraktionen von 
   Gedankenbewegungen denkbar oder überhaupt nicht.
b. Ein Denken, das sich das Denken wie eine Bewegung der Gedanken selbst denkt, 
   muss – im Unterschied zu einem Denken, das sich das Denken wie eine 
   Anwendung von Operationen denkt – einen durch die Sache selbst d. h. durch 
   das Denken des Denkens bestimmten Anfang haben. 

Beide Gesichtspunkte sind berührt, wenn man verfolgt, wie Henrich sich die erste Form der Negation erklärt. Denn für ihn ergibt sie sich aus dem Begriff des „Nichts“. Henrich erwähnt zwar, dass der Begriff des „Nichts“ der Bestimmtheit noch vorausgeht. Er kann sich aber nicht dazu entschließen, das „Nichts“ als Anfang des Denkens des Denkens – und damit der Hegelschen Logik – aufzufassen, obwohl er das selbstverständlich weiß und auch in einem anderen Artikel als Problem des Anfangs der Hegelschen Logik gekennzeichnet hat (vgl. den folgenden Exkurs). Für Henrich ist deswegen das Nichts keineswegs wie für Hegel immer schon in das reine Sein umgeschlagen. Im Gegenteil: Als ontologisierte negative Aussageform bleibt das „Nichts“ als Gedanke, als Abstraktion, bestehen. Das ist bei Hegel ganz anders: Hegel kommt zum Begriff des Nichts nicht durch die Analyse der Aussageformen, sondern über das Problem eines möglichen wissenschaftlichen Anfangs des Denkens. Will man das Denken wissenschaftlich denken können, so muss man auch wissenschaftlich damit anfangen können. Für diesen Anfang kann aber nichts voraussetzen, weil vor der Wissenschaft jedenfalls wissenschaftlich nichts erwiesen ist. Müsste man dann nicht mit dem „Nichts“ anfangen? Aber mit „Nichts“ fängt nichts an. Es wäre also ein Anfang mit dem „Nichts“ gar kein Anfang. Um Anfangen zu können, muss das Denken zwar anfangen, aber es kann nicht mit etwas Bestimmtem anfangen. Also kann es nur mit dem allerabstraktesten Gedanken anfangen, der nichts voraussetzt, und das ist der Gedanken des reinen Seins. Aber dieses reine Sein ist gänzlich unbestimmt; es ist dabei und darin nichts zu denken, es ist „Nichts“ oder es ist immer schon in das Nichts übergegangen. Das Denken denkt das „Nichts“. Das „Nichts“ ist ganz leer und unbestimmt. Aber es ist Nichts. Es ist, aber es ist nichts Bestimmtes, d. h. es ist rein, reines Sein. Das „Nichts“ ist – so zeigt sich – immer schon übergegangen in das reine Sein, wie das reine Sein in das Nichts.[8]


1. Exkurs: Henrichs Darstellung des Anfangs der Hegfelschen Logik

Henrich weiß um das Problem des Anfangs der Hegelschen Logik und hat sich in dem Artikel „Anfang und Methode der Logik“ (in: Dieter Henrich, „Hegel im Kontext“, Frankfurt am Main 1967, S. 73 – 94.) ausführlich damit beschäftigt. Er schreibt, dass der Anfang der hegelschen Logik Probleme aufwerfe, die sich ohne die Logik der Reflexion nicht lösen ließen. Dabei stützt er sich auf die bei der Darstellung des Anfangs benutzte Formulierung von der „unbestimmten Unmittelbarkeit“ (ebenda, S. 85). Denn der Ausdruck „Unmittelbarkeit“ ist auch dann ein reflexionslogischer Ausdruck, wenn er den Ausschluss reflexionslogischer Überlegungen bezeichnen soll. Die Kritik kann man einräumen, wenn es erlaubt ist, die Einheit von Inhalt und Methode zu ignorieren. Denn wer den Anfang der Logik in der Weise interpretiert, wie Henrich das tut, der fängt jedenfalls mit dem Denken des Denkens nicht an. Er interpretiert aufgrund von Voraussetzungen, die er anderswoher nimmt. Er fängt nicht an, sondern redet über das Anfangen. Es sind hier demnach zwei Formen der Interpretation zu unterscheiden:

1. Das Interpretieren als Fragen, wie der Anfang zu machen sei, ob er so oder 
   anders möglich sei, etc., das als Reden über den Anfang gekennzeichnet 
   werden kann, und 
2. das Interpretieren im Sinne von tun, was gedacht werden soll, d.h. anfangen. 
   Ein solcher Begriff ist aus der Kunst geläufig: Ein Künstler etwa 
   interpretiert ein Musikstück, indem er es spielt.

Hegel verlangt von seinen Interpreten die Einheit beider Formen der Interpretation, bei der allerdings letztlich nur zählt, dass mit dem Denken des Denkens angefangen wird. Wer also mit dem Denken des Denkens anfängt, der fragt nicht nur, womit man anfangen muss. Er tut es und lässt sich von Hegel darin leiten. Insofern er zugleich fragt, womit man den Anfang machen muss, fängt er nicht an, sondern denkt über den Anfang nach. Ihm werden Überlegungen über den Anfang vielleicht helfen: Der Anfang ist in jedem Falle bestimmt als die Einheit von Sein und Nichtsein von etwas Bestimmtem, und der erste Anfang des Denkens des Denkens kann nichts als erwiesen voraussetzen und ist also voraussetzungslos. Insofern nichts Bestimmtes vorausgesetzt werden kann, ist er als der „absolute Anfang“ die Einheit von Sein und Nichts. Aber besteht überhaupt die Notwendigkeit und ist es überhaupt möglich, wissenschaftlich anzufangen. Um darauf zu antworten, reicht eine Logik der Reflexion nicht aus. Das zeigt sich deutlich an der mangelnden Notwendigkeit, vom Reden über den Anfang zum Anfangen selbst überzugehen. Dazu bedarf es der Logik des Begriffs. Nach Hegel ist frei nur das Denken, das sich seiner Gedankenformen zu bemächtigen in der Lage ist. Das aber ist ein Denken, das die Gedankenformen aus dem Denken selbst entwickelt. „Der Begriff ist das Freie…“, wie Hegel sagt (Enc. § 160). Die Notwendigkeit, mit dem Denken des Denkens voraussetzungslos anzufangen, ist nur eine Darstellungsform der Freiheit des Begriffs, also der Fähigkeit des Denkens, dann frei zu sein, wenn die Gedankenformen aus dem Denken des Denkens entwickelt werden. Man kann zum Denken ebenso wenig gezwungen werden, wie zum Denken des Denkens. Aber wenn man im Denken frei sein will – und nach Hegel kann nur das Denken frei sein –, dann kann man auf das Denkens des Denkens und die innere Notwendigkeit seiner Entwicklung nicht verzichten. Das bestreitet Henrich: Er behauptet, dass Hegels Philosophie keine „Emanzipationsphilosophie“ sei. (ebenda, S. 93 Fußnote) Zur Entwicklung des freien Denkens im Sinne Hegels gehört dann auch der voraussetzungslose Anfang oder eben der Anfang mit dem Sein und mit dem Nichts, sowie der Einheit von Sein und Nichts. Der Anfang aber kann nur gemacht werden, indem man anfängt. Er gehört nicht nur dazu in dem Sinne, in dem man darüber spricht, sondern in dem Sinne, in dem man ihn macht. Wer sich im Denken befreien will, muss notwendig damit anfangen, indem er das Anfangen macht und denkt in einem.

Der Behauptung der Freiheit des Denkens kann man freilich mit gutem Grund widersprechen. So verlangt etwa Marx nicht die Freiheit des Denkens, sondern die Befreiung der Menschen. Denn – so sein an Feuerbach angelehntes Argument – das Denken ist das Denken der Menschen. Die Menschen, so wie sie sind, sind Voraussetzung des Denkens und mit dieser Voraussetzung sind eine Reihe anderer Voraussetzungen – von Marx als die so genannten wirklichen Voraussetzungen bezeichnet, von denen man nur in der Einbildung abstrahieren kann – gesetzt, die wirklich unter anderem darin sind, dass sie auf das Denken wirken und es bestimmen. Unfreie Menschen denken auch unfrei. Die Bedingung freien Denkens sind freie Menschen. Befreiung im Denken ist nach Marx nur möglich im Zusammenhang mit wirklicher Befreiung.

Ende des Exkurses


Das reine Sein ist immer schon übergegangen in das Nichts, das Nichts ist immer schon übergegangen in das reine Sein. Beide lassen sich nicht denken, ohne schon immer übergegangen zu sein, d.h. beide lassen sich als solche gar nicht denken. Der Versuch diese Gedanken zu denken, misslingt, weil sie immer schon in ihr Gegenteil umgeschlagen sind. Erst in ihrer Einheit im Begriff des „Werdens“ sind sie als Momente eben dieser Einheit denkbar. So ist der Anfang – wie es bei einem Anfang seinem Begriff nach sein muss – gemacht und verschwunden in einem in der ersten Bewegung, dem Werden. Das Werden ist auf diese Weise als die Einheit von Sein und Nichts gedacht. Als Bewegung vom Nichts zum Sein ist das Werden Entstehen, als die Bewegung vom Sein zum Nichts ist das Werden Vergehen. Beide Seiten des Werdens lassen sich als Richtungen des Werdens betrachten. (Für die Vorstellung: Jeder Entstehungsprozess ist zugleich ein Prozess des Vergehens und umgekehrt.) Das Werden aber ist nicht nur Vergehen, so dass aus dem Werden „nichts“ resultierte. Das Nichts ist selbst nur ein Moment des Werdens. Mit dem Verschwinden des Seins im Nichts als dem Vergehen und mit dem Verschwinden des Nichts im Sein als Entstehen verschwindet zugleich die Differenz von Sein und Nichts, die Voraussetzung des Werdens ist. Verschwindet die Voraussetzung, so verschwindet das Werden und mit dem Werden das Verschwinden selbst. Hegel nennt dies das Verschwinden des Verschwindens, das also da ist. Für die Vorstellung: Jeder Prozess ist nicht nur ein Entstehen und Vergehen, sondern er vergeht auch wirklich. Er verschwindet und hat ein Resultat. Ist das Verschwinden verschwunden, so ist das Resultat da.[9]

Dieses Resultat ist bestimmt durch den verschwundenen Prozess, dessen Resultat es ist.[10] Denn als Resultat dieses Prozesses ist es nichts anderes als der Prozess, der zu diesem Resultat geführt hat, in Ruhe gedacht. Die Einheit des Seins und des Nichts als Prozess gedacht ist Werden. Die Einheit des Seins und des Nichts als ruhiges Resultat gedacht, ist daher erstens durch den Prozess, durch den es entstanden ist, bestimmt, und zweitens genauso bestimmt wie der Prozess selbst, aber in Ruhe, also Einheit des Seins und des Nichts, aber in Ruhe. Es ist bestimmtes Sein, Dasein.[11]

Bestimmt ist es als Resultat eines verschwundenen Prozesses. Es ist daher selbst unmittelbar und es scheint, als ob damit der Anfange gemacht werden müsse. Das liegt jedoch daran, dass das Werden, der Prozess seiner Vermittlung, sich aufgehoben hat und verschwunden ist. Seine Bestimmtheit ist noch nicht gesetzt, d. h. seine Bestimmtheit ist noch nicht als solche, als Bestimmtheit gedacht. Die gesetzte Bestimmtheit dagegen ist die Qualität. Denn die Bestimmtheit ist nicht nur als ruhige Einheit von Sein und Nichts zu denken, wie das Dasein überhaupt. Sein und Nichts sind auch unterschieden. Diese Unterschiedenheit von Sein und Nichts muss an dem Resultat auch zum Ausdruck kommen: Das Resultat in dieser Weise als bestimmt gedacht, ist Qualität, in sich unterschiedene, aber ruhige Einheit von Sein und Nichts. Die Qualität lässt sich unter entgegengesetzten Gesichtspunkten denken: Unter dem Gesichtspunkt des Seins betrachtet ist sie Realität und unter dem Gesichtspunkt des Nichts ist sie „Negation“. Für Hegel ist also Negation zunächst eine Form der Einheit des Seins und des Nichts unter dem Gesichtspunkt des Nichts betrachtet. Als der Realität entgegengesetzt negiert sie die Realität, schränkt sie die Realität ein. Sie ist „bestimmte Negation“ (Hegel, WdL, Bd. 5, S. 86), insofern sie bestimmt ist erstens durch den Prozess, dessen Resultat sie ist, und zweitens durch die Realität, die sie verneint. Das Ergebnis der Negation ist nicht „Nichts“, sondern – wenn man so will, das „Nichts“ hier von der Realität, die den Charakter der Negation bestimmt. Auch das Resultat der Negation ist ein bestimmtes, nämlich eine bestimmte Realität, eingeschränkte Realität. Den Ausdruck „bestimmte Negation“ vermeidet Henrich. Denn er möchte diese Negation als „abstrakte“ Negation für unbestimmt halten, wie es für seine Auffassung der „einstelligen“ Negation als ontologisierter negativer Aussageform notwendig ist. Denn Henrich sieht das, was Hegel als die abstrakte Negation im Gegensatz zu der „dialektischen Negation“ bezeichnet , als den Unterschied von „einstelliger“ Negation und „zweistelliger“ Negation. Es ist aber die „bestimmte Negation“, die Hegel selbst als in sich unterschieden in die erste und abstrakte Negation und in die zweite Negation auffasst, so dass die dialektische Negation als notwendig oder im Begriffe der Negation liegend folgt.

In einer ersten Zusammenfassung lässt sich sagen: Die erste Form der Negation lässt sich nicht als eine ontologisierte negative Aussageform verstehen, weil eine solche Auffassung eine wichtige Seite der Hegelschen Negation nicht trifft. Die ontologisierte negative Aussageform ist nicht selbst Einheit von Sein und Nichts, und sie ist auch nicht Resultat einer gedanklichen Entwicklung, sondern eine Abstraktion aus – vorausgesetzten und also als vorhanden vorgestellten – negativen Aussagen (oder eine aus vorhandenen Aussagen abstrahierte Konstruktionsbedingung negativer Aussagen). Selbst wenn man sich an den Begriff des „Nichts“ hält, reicht die ontologisierte negative Aussageform nicht aus, um Hegels Begriff des „Nichts“ zu treffen. Denn Hegels Begriff des „Nichts“ ist immer schon in den Begriff des „reinen Seins“ umgeschlagen, während die negative Aussageform bestenfalls zu ihrer „Sättigung“ eines Wertes bedarf (und sich deswegen in der als solcher nicht veränderlichen Form des „nicht …“ darstellt). Die „ontologisierte negative Aussageform“ ist ungeeignet, um Hegels Negationsbegriff zu verstehen.

5. Die Negation als "ontologisierte negative Aussageform"

Henrich fasst das Nichts als „ontologisierte negative Aussageform“ und baut darauf seine Darstellung der abstrakten Negation auf. Hegel scheint ihm in einem anderem Zusammenhang darin Recht zu geben. Denn in der Logik des Begriffs verweist er bei der Behandlung des negativen Urteils darauf, dass man in der formalen Logik die Negation abstrakt im Sinne des abstraktem Nichtseins auffasse, welches seine Wahrheit im Werden finde. An dieser Stelle schreibt Hegel: „Wird das Negative nach der ganz abstrakten Bestimmung des unmittelbaren Nichtseins festgehalten, so ist das Prädikat nur das ganz unbestimmte Nicht-Allgemeine. Von dieser Bestimmung wird sonst in der Logik bei den kontradiktorischen Begriffen gehandelt und als etwas Wichtiges eingeschärft, dass beim Negativen eines Begriffs nur am Negativen festgehalten und es als der bloß unbestimmte Umfang des Anderen des positiven Begriffs genommen werden soll. So wäre das bloße Nicht-Weiße ebenso wohl das Rote, Gelbe, Blaue usf. als das Schwarze. Das Weiße aber als solches ist die begrifflose Bestimmung der Anschauung; das Nicht des Weißen ist dann das ebenso begrifflose Nichtsein, welche Abstraktion ganz zu Anfang der Logik betrachtet und als deren nächste Wahrheit das Werden erkannt worden ist.“[12]

Hegel setzt also die Möglichkeit voraus, das Nichts als eine „ontologisierte negative Aussageform“ dann aufzufassen, wenn man Inhalt und Methode trennt. Dazu muss man allerdings als Erstes die Negation in einer Bestimmung „festhalten“. Denn sie selbst würde – wie sich noch zeigen wird – übergehen in eine Negation der Negation. Als Zweites muss man die Bestimmungen in der Logik des Begriffs als Begrifflose aufnehmen, so dass die Form und der Inhalt der Bestimmungen auseinanderfallen. In der formalen Logik, wie wir sie heute kennen, ist das in der Regel dadurch gegeben, dass man eine Variable benutzt, für die Beispiele als Erfüllungen eingesetzt werden sollen. Gerade das Einsetzen von Beispielen aber verdunkelt einen bestimmten logischen Zusammenhang, den Hegel umgekehrt beleuchten möchte: „Wenn bei Betrachtung der Urteilsbestimmungen solcher begrifflose Inhalt aus der Anschauung und Vorstellung als Beispiel gebraucht und die Bestimmungen des Seins und die der Reflexion für Urteilsbestimmungen genommen werden, so ist dies dasselbe unkritische Verfahren, als wenn nach Kant die Verstandesbegriffe auf die unendliche Vernunftidee oder das sogenannte Ding-an-sich angewendet werden; der Begriff, wozu auch das von ihm ausgehende Urteil gehört, ist das wahrhafte Ding-an-sich oder das Vernünftige; jene Bestimmungen aber gehören dem Sein und dem Wesen an und sind noch nicht zu der Art und Weise fortgebildet, wie sie in ihrer Wahrheit, im Begriffe sind.“[13] Mit anderen Worten: Wer so verfährt, trennt den Inhalt dessen, was er als Beispiel anführt, von der logischen Form, für deren Erfüllung es als Beispiel angeführt wird. Daraus ergibt sich zwingend eine Art des äußerlichen Anwendungsverhältnisses, wie es Hegel in dem Abschnitt „Sinnliche Gewissheit“ in der „Phänomenologie des Geistes“ analysiert. Das „begrifflose“ Aufnehmen von Beispielen ist der logischen Form nicht angemessen, die damit erläutert werden soll.

Aber Hegel bleibt bei dieser Kritik nicht stehen. Er geht noch einen Schritt weiter. Das Begrifflose, bloß Aufgenommene bestimmt auch die Negation des so Aufgenommenen als abstrakt, so dass auch nach dieser Seite hin die abstrakte Negation bestimmte Negation des bloß begrifflos Aufgenommenen bleibt. Hegel identifiziert dieses äußerlich abstrakte Aufnehmen mit dem mathematischen Denken: „Wenn bei dem Weißen, Roten, als sinnlichen Vorstellungen stehen geblieben wird, so wird, wie gewöhnlich, etwas Begriff genannt, was nur Vorstellungsbestimmung ist, und dann ist freilich das Nicht-Weiße, Nicht-Rote kein Positives, so wie vollends das Nichts-Dreieckige ein ganz Unbestimmtes ist, denn die auf der Zahl und dem Quantum überhaupt beruhende Bestimmung ist wesentlich gleichgültige, begrifflose. Aber wie das Nichtsein selbst, so soll auch solcher sinnliche Inhalt begriffen werden und jene Gleichgültigkeit und abstrakte Unmittelbarkeit verlieren, die er in der blinden, bewegungslosen Vorstellung hat.“ [14]

Die Abstraktion des Anfangens wiederholt sich also in modifizierter Weise im Falle des Beispiels für eine „ungesättigte“ Aussageform. Denn das Beispiel steht als unmittelbar aufgenommenes nicht auf der logischen Entwicklungsstufe, auf der die logische Form sich befindet, für die das Beispiel als Erfüllung dienen soll. Das ist bei der „Sättigung“ einer Aussageform mit Notwendigkeit der Fall, weil es auf die logische Bestimmtheit des „sättigenden“ Beispiels für die Bestimmtheit der dargestellten logischen Form in keiner Weise ankommen soll. Das ist der Inhalt der Vorstellung einer Variablen, dass ihre Erfüllung gleichgültig ist. Jede mögliche Erfüllung ist in gleicher Weise aufzugreifen möglich, und die Unterschiede der aufgegriffenen Erfüllungen sollen gerade keine Auswirkung auf die darzustellenden Denkformen haben. An die Stelle der – wenn man so will objektiven, aus der Sache selbst sich ergebenden – Abstraktion des Anfangs von der Bewegung, die mit diesem Anfang anfängt und die sich aus der Aufhebung des Anfangs ergibt, tritt die – wenn man so will bloß subjektive – Abstraktion als intellektuelle Leistung oder Operation des Logik treibenden Theoretikers, der sich um die logische Bestimmtheit seiner Beispiele nicht kümmert, sondern sie einfach aufnimmt. Er ergreift die Beispiele also in der unmittelbarsten aller Denkformen, in der des Seins. Wenn er nun diese Beispiele als gleichgültig festhält und sie – da er von ihnen abstrahiert – dem Prozess der ihnen eigenen – in Gedanken zu erfassenden – Bewegung entzieht, dann resultiert aus ihrer Negation das „Nichts“ als ganz abstrakte Bestimmung. Diese Abstraktion ergibt sich jedoch nicht aus der noch nicht ausgeführten Bewegung, die noch kommen muss, damit von einem Anfang überhaupt gesprochen werden kann. Sie verdankt sich vielmehr der abstrahierenden Vorstellung des Theoretikers, der diese seine Abstraktionsleistung allerdings entweder ganz vergisst oder als „natürliche Operation“ verklärt. Mit anderen Worten: Die Bestimmung des „Nichts“ als ontologisierte negative Aussageform ersetzt die den Begriffe eigene Bewegung durch Operationen des Theoretikers. Dadurch verlieren die Begriffe die ihnen eigentümliche Bewegung und werden zu fixierten Relationen, Prädikaten etc. Es war eine Weile lang üblich, dass vor allem analytische Philosophen behaupteten, dass man – im Sinne von allen vernünftigen Menschen – eine Bewegung der Begriffe nicht verstehen könne. Folgt man diesen Überlegungen Hegels, so sieht man darin einen Ausdruck eines Denkens, das sich wie ein Operieren versteht. Damit es aber operieren kann, muss es die Begriffe zuvor in still gestellte Operationsmaterialien verwandelt haben. Mit Hegel gesprochen: Wer so denkt, der denkt die Begriffe begrifflos.


2. Exkurs: Gibt es Verneinung nur von Sätzen

Tugendhat widerspricht zwar der Behauptung Henrichs, dass Hegels Negation als „ontologisierte negative Aussageform“ zu verstehen ist. [15] Aber auch er versteht Hegels Negationsbegriff aufgrund seiner Voraussetzungen nicht.

Zunächst übersieht Tugendhat die nach Hegel notwendige Bezogenheit der Negation auf die Realität. Er glaubt, Hegel wolle behaupten, dass das Nichts sich denken lasse. „Eine beziehungslose Verneinung gibt es jedoch nicht“, stellt Tugendhaft fest. [16] In Hegels Worten: „Es muss… von Sein und Nichts gesagt werden, dass es nirgend im Himmel und auf Erden etwas gebe, was nicht beides, Sein und Nichts, enthielte.“ (WdL 5, S. 86) Als beziehungslose Verneinung – das ist der Witz des Anfangs der Hegelschen Logik – lässt sich das Nichts eben nicht denken, weil es dann immer schon übergegangen ist. Tugendhat fährt fort: „Der einfache Tatbestand, über den Hegels Logik schon bei ihrem ersten Schritt irremediabel stürzt, ist, dass nur Sätze negiert werden können. Wer das bestreiten will, müsste eine Negation, die weder direkt eine Negation von Sätzen ist noch indirekt (wie bei negativen Prädikaten) über negative Sätze eingeführt wird, erst vorführen.“ [17] Sollte das ernst gemeint sein, so wäre uns Tugendhat bei dieser Aufgabe entgegengekommen: Er schreibt, dass das Nicht-Sein in Sinne von „… ist nicht …“ zu verstehen sei. [18] Offenbar setzt Tugendhat voraus, dass das Zeichen „…“ nicht für sich selbst steht. Dieses „nicht“ ist aber nicht das „nicht“ des von Tugendhat angeführten Satzes „… ist nicht …“. Für den Leser versteht es sich von selbst, was Tugendhat meint, nämlich dass dieses „…“ nicht für sich selbst steht. Darauf verlässt sich Tugendhat mit Recht. Die in diesen „…“ enthaltene Negation – um eine Verneinung handelt es insofern, als dieses Zeichen nicht für sich selbst steht – kann in einem Satz expliziert werden, aber sie ist nicht eine sprachliche Negation. Sie ist vielmehr eine gedankliche Negation, deren Verständnis Tugendhat beim Leser mit Recht voraussetzt, die allerdings nicht zu der These passen will, dass nur Sätzen negiert werden können. Deswegen vergisst Tugendhat diese – von ihm selbst ausgeführte – Negation.

Die Negation, die in dem Zeichen „...“ liegt, ist nicht die Negation, von der in dem Satz „... ist nicht ...“ Gebrauch gemacht wird. Denn die in diesem Satz gebrauchte Negation „ist nicht“ unterscheidet das „...“ vor dem „ist nicht“ von dem „...“ nach dem „ist nicht“. Denn obwohl in beiden Fällen dasselbe Zeichen „...“ verwendet wird, ergibt sich aus dem angedeuteten Sinn des Satzes, dass im ersten Fall ein anderes Zeichen an seine Stelle treten soll als im zweiten Falle (wenn man nicht voraussetzt, dass von Homonymen die Rede ist). Dann wäre auch dies noch eine implizite Verneinung: „...“ kann im selben Satz verschiedenes bedeuten, d. h. das Zeichen „...“ bedeutet in demselben Satz nicht – oder doch nicht notwendig – dasselbe.

Freilich kann ich solche Verneinungen sprachlich ausdrücken und dann ist sie eine Verneinung, die sich auf einen Satz bezieht. Aber diese sprachliche Verneinung ist nicht notwendig, um eine gedankliche Verneinung auszuführen, wie das Beispiel „...“ zeigt. Ich bestreite nicht, dass sich so eine Verneinung sprachlich „einführen“ lässt, aber ich bestreite, dass sich bei der Einführung von sprachlichen Vereinbarungen alle Verneinungen auf solche zurückführen lassen, die sich in dieser Sprache sprachlich einführen lassen. Im Gegenteil: Sprachlich eingeführte Verneinungen sind von Verneinungen als gedanklichen Operationen abhängig, die bestenfalls erst nachträglich einen sprachlichen Ausdruck finden können, wie das auch bei „... ist nicht ...“ der Fall ist, und auch das teilweise nur in einer Sprache, die nicht die Sprache ist, in die die Negation eingeführt werden soll. Hegels darüber hinaus gehende These ist, dass das Denken sprachlich ausgedrückter Verneinungen das Denken begrifflicher und wirklicher Verneinungen (Bewegungen und Prozesse, Abbildungen und Spiegelungen, sowie Entwicklungen) voraussetzen.

Tugendhat sieht sich Hegel gegenüber im Recht: Nur Sätze können verneint werden. Er steckt sich daher im Stile eines Schiedsrichters eine Trillerpfeife in den Mund und maßregelt andere – im Speziellen Hegel – in Bezug auf ihr Denken: „Nicht der faktische Gebrauch, aber der genau vorzuführende mögliche Gebrauch muss nachgewiesen werden. Worte in der Philosophie einfach draufloszuverwenden, auf ein vages Einverständnis vertrauend, das geht ganz und gar nicht.“ [19] Aber sich selbst nicht bewusst zu machen, was man tut, das geht durchaus: Man vergisst es einfach.

6. Die erste Negation der Negation als "Insichsein"

Obwohl die der Realität entgegen gesetzte Negation als „bestimmte Negation“ gefasst ist, ist sie nach Hegel noch „abstrakte Negativität“ des Etwas. [20] Wie ist das zu verstehen? Die abstrakte Negativität wird auch als erste Negation bezeichnet im Unterschied zur Negation der Negation. „Aber dabei ist die Negation als erste, als Negation überhaupt, wohl zu unterscheiden von der zweiten, der Negation der Negation, welche die konkrete, absolute Negativität, wie jene dagegen nur die abstrakte Negativität ist.“ (WdL 5, S. 124) Die Negation, die bisher dargestellt wurde, ist ein Moment der Qualität, das dem anderen Moment der Qualität, der Realität entgegengesetzt ist. Aber dies gilt ebenso sehr umgekehrt: Die Realität ist der Negation entgegengesetzt. Die Negation und die Realität stehen sich entgegengesetzt gegenüber, aber im gleichen Verhältnis zueinander, so dass beide als Negation voneinander aufgefasst werden können. Die Negation ist nicht in einem anderen Sinne die Negation der Realität als die Realität die Negation der Negation ist. Beide – wenn man so will – negieren einander. Um ein Beispiel zu gebrauchen, das auch Hegel selbst benutzt: „Hell sein“ kann als eine Realität aufgefasst werden. Dann wäre „Dunkel sein“ die entsprechende Negation der Realität, die die Helligkeit einschränkt. Man könnte aber auch umgekehrt sagen: Die Dunkelheit wird von der Helligkeit eingeschränkt. Die Realität negiert genauso die Negation, wie die Negation die Realität negiert. Im absolut Hellen aber sieht man ebenso wenig, wie im absolut Dunklen, nämlich nichts im Sinne von „nicht etwas“. Man kann also nur dann etwas sehen, wenn die Realität durch die Negation eingeschränkt wird, oder –dasselbe mit anderen Worten – die Negation durch die Realität eingeschränkt wird. Aber so sind die Negation und die Realität gar nicht unterschiedlich gedacht. Beide sind Negation voneinander und setzen sich dieser gegenseitigen Negation als Realität entgegen. [21] Insofern die Negation so betrachtet der Realität nur entgegengesetzt ist, affirmiert sie sogar im Gegenteil die Realität – wenn auch als ihr entgegengesetzt. Die Negation – so der Realität entgegengesetzt – ist noch nicht als Negation durchgeführt. Denn sie ist nicht anders gedacht als die Realität selbst. Diese Negativität des Etwas ist insofern abstrakt.

Damit sie konkrete Negation wird, muss sie als Negation durchgeführt werden. Dann kann sie nicht der Realität gegenüber auch noch bestehen und bloß entgegengesetzt bleiben, sondern als Negation muss sie die Realität aufheben. Da sie aber als abstrakte Negativität an diese Realität gebunden ist, muss sie somit auch die abstrakte Negativität, also sich selbst, aufheben und das – sich gegenseitig negierende – Verhältnis von Negation und Realität. Damit – so könnte es aussehen – fällt aber auch der Unterschied zwischen Realität und Negation weg. Man schiene wieder beim Dasein überhaupt angekommen zu sein, bei dem es den Unterschied von Realität und Negation noch nicht gegeben hat. Aber das Dasein geht – wie gesehen – selbst in die Qualität über und würde erneut zu dem Gegensatz von Realität und Negation führen, so dass die Rückkehr zum Dasein keine Lösung des Problems bringt. Im Übrigen ist der Unterschied von Realität und Negation, so dass der Fortgang daran gebunden ist, diesen Unterschied, wie er sich entwickelt hat, nicht einfach zu ignorieren. Die Art der Aufhebung des Unterschiedes ist daher eine andere, die von Hegel mit dem Begriff des „Insichseins“ gekennzeichnet wird. Denn Realität und Negation sind einander entgegengesetzt. Dieser Gegensatz ist und ist als solcher eine Einheit. Denn was so und so real ist, ist zugleich auch so und so negativ. Die Einheit, in dem Satz durch das „was“ vertreten, verneint beide Seiten und ist nur diese Verneinung; sie ist in einem ersten minimalen Sinne „in sich reflektiert“ (WdL, 5, S. 116), und damit etwas Drittes, oder sie ist das „Etwas“, das weder Realität noch Negation ist, sondern diesen Gegensatz in sich aufhebt, in sich zieht und negiert. [22] Es ist die „erste konkrete Negation der Negation“. (WdL, 5, S. 123) Das „Etwas“ als Negation der Negation negiert die Realität ebenso wie die Negation. Das „Etwas“ ist beide nicht, aber enthält beide in sich und ist nichts anderes als ihre Einheit. So ist das Etwas ein „Insichsein“, das Realität und Negation als aufgehoben in sich enthält, selbst aber weder Negation noch Realität ist.

Das Etwas ist – so betrachtet – die prozesslos vermittelnde Einheit von Realität und Negation. Die Einheit, die das Etwas ist, negiert beide Momente und ihren Gegensatz, und ist nichts anderes als dieses Negieren des Gegensatzes; insofern ist sie die „negative Einheit“ von Realität und Negation. Negative Einheit ist die Einheit von Negation und Realität, insofern sie die beiden Momente in sich enthält; aber sie ist negative Einheit, insofern sie die beiden zu Momenten ihrer selbst herabsetzt, und also selbst beide nicht ist. Was ist, ist allein die Einheit, deren Momente die Realität und die Negation sind. Sie ist aber nur dadurch bestimmt, dass sie ihre Momente nicht ist, und also als eine negative Einheit. Das Etwas ist zwar vermittelt durch die Verneinung von Realität und Negation, aber es ist selbst unmittelbar, insofern die Vermittlung kein Prozess ist und in die Unmittelbarkeit vermittelt. [23] – Betrachtet man jedoch die Realität und die Negation als die Realität und die Negation des Etwas, so kann man sie umgekehrt als vom Etwas selbst hervorgebracht vorstellen, als gesetzt oder produziert. So ist das Etwas als „absolute Negativität“ gedacht, als die Negativität, die den Gegensatz zwischen Realität und Negation allererst hervorbringt oder setzt. Denn die Negation ist nicht absolut, sondern bloß relativ, insofern sie der Realität entgegengesetzt ist. Sind aber Realität und Negation als – von der Negation der Negation – gesetzte, produzierte, hervorgebrachte Momenten der Negation der Negation gedacht, wie das bei der als produktiv gedachten Negation der Negation der Fall wäre, so ist die Negation „absolute Negativität“, insofern sie die Realität und die abstrakte Negation setzt und aufhebt in einem und demselben Prozess.

Die dialektische Negation der Negation ist also die als Negation durchgeführte Negation, die sich damit zugleich gegen sich selbst als abstrakte Negativität richtet und sich selbst aufhebt. [24] Die abstrakte Negativität ist deswegen bloß abstrakt, weil in ihr die Negation nicht konsequent gedacht ist. Konsequent gedacht ergibt sich aus dem Begriff der Negation, dass sie sich selbst aufhebt. Die konkrete und dialektische Negation ist daher nicht die „zweistellige“ Negation Henrichs, sondern die „zweistellige“ Negation ergibt sich aus bestimmten Problemen, die mit der konkret hier gedachten Negation der Negation, dem Etwas, zusammenhängen. Um diese Probleme zu erfassen, ist es allerdings erforderlich, der Überleitung einen Sinn abzugewinnen, von der Henrich sagt, dass sie mit schwachen Argumenten begründet werde. Dieser Wertung kann man folgen. Der Witz ist gerade, dass die Schwäche des Begriffs des Etwas die Überleitung notwendig machen soll.

7. Das Problem der "Überleitung"

Das „Etwas“ ist – als Negation der Negation – die Negation der Realität und der Negation. Es hebt beide auf, enthält aber auch beide in sich. Insofern es beide nicht ist – aber beide als einander entgegen gesetzte enthält –, ist das Etwas

a. durch die Negation beider vermittelt, 
b. aber ohne einen vermittelnden und bestimmenden Prozess vermittelt; denn
   der Prozess ist mit dem Werden verschwunden; das Etwas ist „negative 
   Einheit“, durch die Negation seiner Momente in die Unmittelbarkeit 
   vermittelt. Das Etwas ist die als Beziehung verneinte Beziehung von Realität 
   und Negation. 

Insofern das „Etwas“ unmittelbar und prozesslos in die Unmittelbarkeit vermittelt ist, ist es selbst unbestimmt und – als unmittelbar – Sein. Etwas fordert aber seinem Begriff nach Bestimmtheit. Es geht daher nun darum, das Etwas zu bestimmen. Denn da die Momente vom Etwas selbst aufgehoben werden, können sie die Bestimmtheit des Etwas selbst nicht ausmachen. Um das Etwas selbst zu bestimmen, geht Hegel davon aus, dass das Etwas, das unmittelbar unbestimmt ist, als Daseiendes Resultat einer es vermittelnden – wenn auch verschwundenen – Bewegung ist.

Das Etwas ist, und es ist Daseiendes. Als solches ist es vermittelt durch den – verschwundenen – Prozess des Werdens. Es ist also an sich Werden, aber nicht Werden überhaupt, sondern konkreter Werden eines Etwas. Die Momente dieses Werdens sind nicht mehr Sein und Nichts als solche wie beim Werden überhaupt, sondern die Momente sind – als Momente der Bestimmung des Etwas – bestimmter:

1. Das Moment des Seins am Etwas ist das Dasein, und weiter das Daseiende. 
2. Das Moment des Nichts ist ebenso ein Daseiendes, aber nicht das Daseinende,  
   das als das erste Moment auftrat, sondern ein gegenüber diesem ersten Moment 
   Negatives. Es ist also einerseits als  Daseiendes, also als Etwas bestimmt, 
   andererseits zugleich als ein Daseiendes, das nicht dasselbe mit dem Etwas 
   ist, das als das erste Moment auftritt. Insofern ist es als ein anderes 
   Etwas, als ein Anderes bestimmt.

Dabei verändert sich das Etwas zunächst nur in seinem Begriffe. Es erhält sich in dieser Veränderung. Daher ist das Andere nur ein Anderes überhaupt. Denn es wird zunächst noch nicht als Etwas ein Anderes, sondern unterscheidet seine Beziehung auf sich selbst von seiner Beziehung auf etwas Anderes. Es bezieht sich daher auf ein Anderes überhaupt. Erst wenn das Etwas durch eine Veränderung bestimmt ist, die es aus etwas Anderem hervortreten lässt – und dann auch in etwas Anderes übergehen lässt, erst dann wird die Veränderung so gedacht, dass das Etwas als das Andere vermittelnd und durch das Andere vermittelt gedacht ist, und erst dann ist die Veränderung als die Bestimmung des Etwas – wie sich Hegel ausdrückt – gesetzt.

Dieser Übergang wird gewonnen durch die spezifische Form, die der das Etwas bestimmende Prozess der Veränderung durch seine Momente erhält. Etwas erhält sich zunächst in seiner Veränderung gegen ein Anderes überhaupt, etwas endet in etwas Anderem und entsteht aus etwas Anderem, und etwas geht in etwas Anderes über. Schließlich geht das Etwas als Etwas in sein Anderes über, das dann auch kein Etwas mehr sein kann, sondern die Differenz des Etwas und des Anderen – oder die Endlichkeit – aufhebt und überwindet. In all diesen Prozessen geht es um die Bestimmung des Etwas selbst, die es in seiner Veränderung erhält.

Der Übergang, so meint Henrich, werde mit schwachen Argumenten bewerkstelligt. So kann man es sehen. Denn der Übergang ergibt sich aus einem Mangel des Begriffs des Etwas: Das Etwas ist – insofern es erste Negation der Negation, die Negation der Realität und der Negation ist – unbestimmt. Der Begriff des Etwas erfordert aber die Bestimmtheit des Etwas. Es ist, um zur erforderlichen Bestimmtheit des Etwas selbst zu gelangen, notwendig voranzugehen. Es ist – wie beim Übergang vom Sein und Nichts zum Werden – nicht ein Übergang aus der Vollkommenheit des Gedankens. Der Gedanke ist nicht vollständig durchdacht und bestimmt, so dass nach wohl abgewogenen Argumenten zum nächsten Gedanken fort gegangen werden könnte. Im Gegenteil: Das Denken wird von dem Gedanken, den es denkt, wegen dessen Unvollkommenheit zum nächsten Gedanken vorangetrieben. Es ist der Mangel des Gedankens, dass das Etwas als solches noch nicht bestimmt ist, aber der Bestimmtheit bedarf, um als Etwas gedacht werden zu können, der das Denken vorantreibt. Allgemein lässt sich sagen: Solche begrifflichen Mängel bestimmter Gedanken sind es, die das Denken in der Logik Hegels vorangehen lässen. In Hegels Worten: „Das, wodurch sich der Begriff selbst weiterleitet, ist das … Negative, was er in sich selbst hat; dies macht das wahrhaft Dialektische aus.“ (WdL, 5, S. 51) Der Übergang ist notwendig, – nicht weil Argumente dafür sprechen, überzugehen, sondern – weil der gedachte Gedanke mangelhaft ist und das Denken über sich hinaustreibt zu einem anderen Gedanken.


Das Anderssein zeigt sich in dieser Überlegung nicht, oder jedenfalls nicht nur – wie Henrich will – als „Andersheit“. Denn es ist seinem Begriffe nach gedacht als verbunden mit oder gar Resultat einer Veränderung. Nur solange das Etwas sich nur in seinem Begriffe ändert – wie Hegel das nennt –, d. h. nur so lange es sich selbst in seiner Veränderung gegen ein Anderes überhaupt erhält, kann man „Anderssein“ (wenn man vom Prozess abstrahiert) als „Andersheit“ auffassen. Wenn aber die Veränderung das Etwas selbst erreicht, zeigt sich, dass diese Ersetzung des Begriffs des „Andersseins“ durch den Begriff der „Andersheit“ eine Verstellung des Gedankens von Hegel nach sich zieht. Denn eine – als vermittelnd und vermittelt gedachte und somit am Etwas als es bestimmende Bewegung gesetzte – Veränderung hebt den Anfangszustand auf, oder in der Sprache Henrichs: Es „eliminiert“ ihn. Wird der Anfangszustand nicht „eliminiert“, so kann man von einer das Etwas als solches bestimmenden Veränderung nicht sprechen. „Andersheit“ dagegen ist – das ist die Pointe von Henrichs Argument der „Zweistelligkeit“ – die Beziehung zweier, die als in einer Beziehung stehend gesetzt werden. „Andersheit“ ist eine Abstraktion von dem ruhenden Verhältnis von Etwas und Anderem. Auf einen Veränderungsprozess lässt sie sich nicht anwenden. „Anderssein“ umfasst auch das Resultat eines Veränderungsprozesses, wobei das Resultat den Anfang des Prozesses und den Prozess als solchen als aufgehoben in sich enthält, aber gerade nicht in einem Verhältnis der Andersheit zu seinem – aufgehobenen – Anfang steht. Wenn also Henrich schreibt: „’Andersheit’ wird hier in derselben Bedeutung wie ‚Anderssein’ gebraucht.“ (vgl. Fußnote 5 des Textes von Henrich, S 219 bzw. 228), dann täuscht er sich nicht nur über seine Verwendung des Wortes, sondern vor alle auch über den Begriff des Andersseins.

Das Etwas, so meint Henrich, generiere „den Sätzen analoge Prozesse“ (S. 217). Zunächst ist nach Hegel das Etwas selbst Resultat von Prozessen. Denn es gibt nach Hegel nichts, was nicht Resultat eines Prozesses wäre. (Das ist die Pointe des Anfangs der Hegelschen Logik für die Vorstellung.) Dann aber sind nicht die Prozesse analog zu Sätzen aufzufassen, sondern umgekehrt die Sätze analog zu Prozessen. Denn Sätze sind einerseits selbst Prozesse, insofern vom Subjekt zum Prädikat übergegangen wird. [25] Andererseits sind sie als solche der Veränderung entzogen.[26] Sie gelten für einen immer wieder – und unverändert – zu vollziehenden Übergang. Ein Prozess dagegen – das hatte sich bei der Betrachtung des Werdens ergeben – hebt sich selbst auf. Ein Satz ist entweder eine Abstraktion von einem Prozess, insofern er einen Übergang vom Subjekt zum Prädikat enthält oder macht, oder er widerspricht Prozessen überhaupt, insofern er als Satz seiner eigenen Veränderung entzogen bleibt. Für ein Denken, das sich selbst nicht wie ein Operieren denkt, sind nicht Prozesse analog zu Sätzen zu denken, sondern umgekehrt Sätze analog zu Prozessen.

Das „Sich selbst Aufheben der Prozesse“ unterscheidet das Denken der Hegelschen Logik von Denkformen, die darauf beruhen, dass etwas „konstituiert“ wird, dass „Kategorien angewendet“ werden oder dass „Gedanken vollzogen“ werden. Ebenso ist die Vorstellung von einem Denken, das wie ein Anwenden von „Funktionen“ wäre, fernzuhalten, wenn es um das Verständnis von Hegels Logik geht. Denn in all diesen Formulierungen wird angenommen, dass Gedankenbewegungen in sich stabil und immer auf die gleiche Weise wiederholbar sind oder – anders formuliert – dass sie als solche bestimmt sind und bleiben, und dann angewendet werden können. Das ist bei den Gedanken, wie Hegel sie in der „Wissenschaft der Logik“, also beim Denken des Denkens denkt, nicht der Fall, sondern allein bei einem Denken, das auf Anwendung zielt. Nach Hegel heben sich die als Prozesse gedachten Gedankenbewegungen beim Denken des Denkens selbst auf. Sie machen sich selbst ein Ende und sind, gerade insofern sie das tun, unendlich. Der Begriff des Werdens, dem alle Prozesse unterliegen, hebt sich selbst auf. Alle anderen Prozesse folgen ihm als solche darin. Umgekehrt ist ein Denken, das sich selbst wie ein Operieren denkt, nicht in der Lage, die eigenen Operationen als sich selbst aufhebend zu denken. Die Operationen sind zwar endlich, insofern sie als einander und dem Inhalt entgegengesetzt vorgestellt werden, auf den sie angewendet werden. Aber sie heben sich nicht selbst auf; sie bleiben – und doch sollen sie endlich sein.



8. Das Anderssein an sich

9. Die Formen der Negation der Negation

10. Geht es dialektisch über Hegel hinaus?

Fußnoten

  1. Dieter Henrich, Formen der Negation in Hegels Logik, in: Rolf-Peter Horstmann, Dialektik in der Philosophie Hegels, Frankfurt am Main 1978. (vgl. auch Hegel-Studien ... ) In Zukunft wird im Text auf diesen Artikel verwiesen durch Anführung in Klammern (Henrich, S. ...)
  2. Henrich löst in dem Artikel „Hegels Grundoperation“ die von Hegel anvisierte Bewegung der Begriffe in eine Reihe von Zuständen auf. Um von einem Zustand zum nächsten zu gelangen, bedarf es daher einer Operation. Damit werden Denken (Operiere) und Gedanke (Zustände) getrennt. Genau diese Trennung will Hegel vermeiden. Diese Trennung bei Henrich ist der Ausdruck eines anderen Problems: Henrich will in dem genannten Artikel die Methode Hegels vorab darstellen. Denn wenn man erst einmal die „Grundoperation“ Hegels verstanden habe, dann ist es leichter, Hegels Logik zu verstehen. Dagegen wehrt sich Hegel zeit seines Lebens. Denn mit diesem Verfahren ist die Trennung von Inhalt und Methode notwendig verbunden. (vgl. Dieter Henrich, Hegels Grundoperation. Eine Einleitung in die „Wissenschaft der Logik“, in: Der Idealismus und seine Gegenwart. (Festschrift Werner Marx) Hrsg: Ute Guzzoni, B Rang, L. Siep, Frankfurt 1976, S. 208 – 230)
  3. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik, Teil I, Die objective Logik. Erstes Buch. In: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Werke in 20 Bänden, Bd. 5, Frankfurt 1969, S. 16. Im weiteren Text zitiert in Klammern (WdL, Bd. 5 S. 16). Hervorhebungen stammen immer vom zitierten Original.
  4. Dieter Henrich, Substantivierte und doppelte Negation, in. Poetik und Hermeneutik, Arbeitsergebnisse einer Forschungsgruppe VI, Hrsg. Harald Weinrich, Positionen der Negativität, München 1975, S. 482.
  5. Dieter Henrich, Substantivierte und doppelte Negation, A.a.O., 483. Henrich ist insofern zuzustimmen, als Hegel seine Theorie nicht als Konstruktion und also nicht als konstruktiv verstanden hat. Aber ebenso abwegig ist die Überlegung, dass Hegel seine Theorie als deskriptiv aufgefasst habe. Denn eine Deskription unterscheidet doch wohl zwischen dem Beschriebenen und der Beschreibung. Gerade gegen diese Unterscheidung richten sich die theoretischen Anstrengungen Hegels. Er möchte eine Theorie des Denkens im Denken entwickeln, in der das Denken zugleich Inhalt und Methode ist. Er möchte damit die Wahrheit der Theorie sichern, ohne sie äußerlich rechtfertigen zu müssen. (Das hat Hegel seiner Auffassung nach in der „Phänomenologie des Geistes“ getan.) Denn eine äußerliche Rechfertigung muss – sofern sie sich nicht selbst aufhebt – notwendig einer Rationalität folgen, die sie selbst voraussetzt, in der die Rechtfertigung geschieht. Hegel wollte dieses Problem vermeiden, indem er die Rechtfertigung als eine sich selbst aufhebende Bemühung darstellt.
  6. Eine konstruktive Theorie rechtfertigt sich durch das, „was sie leistet“. Was sie aber leistet, kann nicht die Theorie selbst sein. Ihre Rechtfertigung ist notwendig eine äußerliche. Die Rationalität des Rechtfertigungsgrundes ist jedenfalls nicht Gegenstand einer Theorie der Rationalität. Er muss ihr vorausgesetzt werden.
  7. Michael Theunissen widerspricht der Behauptung, dass die Negation als ontologisierte negative Aussageform zu verstehen sei (Michael Theunissen, Sein und Schein. Die kritische Funktion der Hegelschen Logik. Frankfurt 1980. S. 172). Auch Theunissen kennt „Operationen“, die sich nicht als die Selbstbewegung der Gedanken darstellen. Aber er entlastet Hegel von dem Vorwurf der Unbewusstheit der eigenen Operationen, indem er bestreitet, dass diese Operationen solche Hegels sind. Nachdem er kritisiert hat, dass Hegel die Differenz zwischen Operation und Sache eingeebnet hat, fährt er fort: „Hegel ebnet die Differenz ein, weil die Operationen, auf die er den Negationsbegriff sekundär anwendet, genauso genommen gar nicht seine eigenen sind, sondern die des betrachteten Denkens, das ebenso wohl zu seiner Sache gehört, aber zu einer mit der logischen Wissenschaft noch nicht identischen. Sache der objektiven Logik ist, durchaus in Entsprechung zur Phänomenologie, das betrachtete Denken und ineins damit dessen Gegenstand.“ Theunissen beschränkt die Einheit von Inhalt und Methode auf die Begriffslogik. In der „objektiven Logik“ trennt er dagegen das betrachtete Denken von dem betrachtenden Denken. Die Unbewusstheit der eigenen Operationen ist angeblich eine des von Hegel betrachteten Denkens der vormaligen Metaphysik. Aber Hegel entwickelt und kritisiert in der Logik die Denkformen im Denken des Denkens. Dazu bedarf es von Anfang an der Einheit von Inhalt und Methode. Theunissen möchte nicht, dass der Begriff das Freie ist, wie Hegel das formuliert, sondern dass die Subjekte frei sind, und denkt dabei an Menschen, die sich in der Gemeinschaft unter Anerkennung Gottes gegenseitig als frei anerkennen. Daher erscheint ihm die Kritik von Gedankenformen gewissermaßen als eine Vorübung der Freiheit, nicht – wie Hegel – als Ausdruck der Befreiung selbst.
  8. Mit Recht weist Tugendhat darauf hin, dass das Nichts bei Hegel nicht zu verwechseln ist mit dem „…ist nicht …“ der negativen Aussageform, da dieses „… ist nicht …“ immer ein Vermitteltes sei. (Ernst Tugendhat, „Das Sein und das Nichts“, in: Durchblicke. Martin Heidegger zum 80. Geburtstag. Frankfurt am Main, 1970, S. 132 – 161, zu Hegel insesondere die Seiten 146 – 152.) Tugendhat hält das Nichts für undenkbar. Er unterstellt, Hegel habe das Nichts zu denken oder anzuschauen für möglich gehalten. Hegel hält jedoch ausdrücklich fest, dass das Nichts als solches nicht zu denken und auch nicht anzuschauen ist. Dabei übergeht Tugendhat die Formulierung Hegels: „Insofern Anschauen und Denken hier erwähnt werden kann …“, die diese Überlegung als eine äußerliche Reflexion kennzeichnet. Aus der Undenkbarkeit des Nichts ergibt sich für Hegel das Verschwinden des Anfangs und die Notwendigkeit des Fortgangs in die Logik hinein. Diesen Gedanken kann Tugendhat nicht fassen. Nach Tugendhat ist Denken jedenfalls vermitteltes Denken. Tugendhat kennt nur Gedanken, die „etwas als etwas“ denken, d.h. die Vermittlungen sind. Scherzhaft fordert er mit Blick auf Hegels Anfang der Logik: „Eine solche Aufhebung aller Vermittlung pünktlich zu demonstrieren, wäre eine Aufgabe der Hegelinterpretation.“ (ebenda S. 147) Er vergnügt sich an dem Widerspruch zwischen „demonstrieren“ – und das heißt doch wohl „vermitteln!“ – und der Aufhebung aller Vermittlung. Er redet von der Abstraktion von bestimmten Qualitäten, um so vorstellig zu machen, was so eine Unmittelbarkeit wohl sein könne. Tugendhat vernagelt sich den Weg zu einem Denken, das sich als Befreiung von bloß vorausgesetzten Denkformen versteht. „… die Idee einer Logik der Vermittlungen, die von einem Unmittelbaren auszugehen hat, schließt es aus, diejenigen logisch-ontologischen Begriffe und Strukturen, die im (griechisch geschrieben) logos vorgegeben sind, als fundamental und irrreduzibel anzuerkennen.“ (ebenda, S. 150.) In der Tat bestritt Hegel die Notwendigkeit, bestimmte Denkformen als irrreduzibel hinzunehmen. Im Gegenteil: Hegel möchte die Denkformen im Denken entwickeln und kritisieren und so die Freiheit im Denken ermöglichen. Es ist dieser Anspruch, gegen den sich Tugendhat wendet.
  9. Theunissen kann diesen Übergang nicht verstehen. „Zum Verschwinden des Verschwindens kommt es also bloß deshalb, weil Hegel zuvor schon das Aufheben ins Verschwinden umgebogen hat.“ (Michael Theunissen, Sein und Schein. A.a.O. S. 192) Das trifft nicht zu. Das Aufheben von Sein und Nichts macht es zu – in sich entgegen gesetzten – Momenten des Werdens. Das Verschwinden dagegen rechtfertigt sich anders. Werden hat vier Momente, Sein als Ausgangspunkt und Resultat des Werdens, Nichts als Ausgangspunkt und Resultat des Werdens, sowie den Übergang von Sein zu Nichts als Vergehen und den Übergang von Nichts zu Sein als Entstehen. Alles Werden – oder in der Vorstellung: jeder bestimmte Prozess des Werdens – hat notwendig diese vier Momente in einer Einheit. Das Vergehen wie das Entstehen sind Übergänge, die sich gegen die Differenz der Momente richten, oder die die Differenz selbst zum Verschwinden bringen. Die Differenz aber ist die Voraussetzung des Werdens, also des Übergangs. Wo es keine Differenz gibt, da gibt es keinen Übergang. Der Übergang beseitigt, wenn wirklich übergegangen wird, im Laufe des Übergangs die Differenz als die Voraussetzung, die den Übergang erforderlich macht, bzw. ermöglicht. Das notwendige Beseitigen der eigenen Voraussetzung bezeichnet Hegel als das Verschwinden des Verschwindens. Es ist nur dann erfassbar, wenn man das Entstehen als ein wirkliches – wenn auch noch nicht in sich bestimmtes – Entstehen denkt. Es ist nicht erfassbar, wenn man bloß darüber spricht, wie es zu denken ist. Theunissen aber trennt Inhalt und Methode in der objektiven Logik: Er sagt über Hegels Theorie: „Seine Theorie der Herkunft des Daseins aus dem Werden ist demnach kritische Darstellung eines Denkens, das aus dem falschen Verständnis des Werdens die genauso falsche Konsequenz einer neuen Vergegenständlichung zieht.“ (ebd.) Dass sich das Werden aufhebt, ist bei Theunissen nicht aus dem Begriff des Werdens abzuleiten, sondern aus einem falschen Verständnis. Dass das Werden ein Resultat hat, ist eine Konsequenz fälschlich vergegenständlichenden Denkens. Theunissen setzt an die Stelle der Durchdenkung von Gedanken, die darin ihren Mangel zeigen, die Verwerfung des Gedankens als falsch. . Bestimmen ist also hier nicht als eine theoretische Operation gedacht, sondern als eine Bewegung, die das Resultat bestimmt. Eine Bewegung hat – insofern sie bestimmend ist – notwendig ein Resultat und eine bestimmte Bewegung – und jede wirkliche Bewegung ist eine bestimmte Bewegung – notwendig ein bestimmtes Resultat. Das Resultat des Werdens ist also allein dadurch bestimmt, dass es das Resultat des verschwundenen Werdens ist. Der Prozess des Werden resultiert nicht in Nichts, sondern er hat ein bestimmtes Resultat, dessen einzige unmittelbare Bestimmtheit die ist, Resultat des Werdens zu sein. Wie sich diese Bestimmtheit darstellt, ist eine zweite Frage. Als Beispiel für diesen Gedanken kann man sich die geschichtliche Bewegung vorstellen, in der wir begriffen sind: Sie wird notwendig zu einem bestimmten Resultat führen. Dessen können wir auch dann gewiss sein, wenn wir die Bestimmtheit des Resultats nicht zu erkennen vermögen. Die Bestimmtheit ergibt sich aus dem Prozess, dessen Resultat es ist: Wir bringen unsere Zukunft selbst hervor, wenn auch ohne zu wissen, was wir tun.
  10. Bestimmen ist also hier nicht als eine theoretische Operation gedacht, sondern als eine Bewegung, die das Resultat bestimmt. Eine Bewegung hat – insofern sie bestimmend ist – notwendig ein Resultat und eine bestimmte Bewegung – und jede wirkliche Bewegung ist eine bestimmte Bewegung – notwendig ein bestimmtes Resultat. Das Resultat des Werdens ist also allein dadurch bestimmt, dass es das Resultat des verschwundenen Werdens ist. Der Prozess des Werden resultiert nicht in Nichts, sondern er hat ein bestimmtes Resultat, dessen einzige unmittelbare Bestimmtheit die ist, Resultat des Werdens zu sein. Wie sich diese Bestimmtheit darstellt, ist eine zweite Frage. Als Beispiel für diesen Gedanken kann man sich die geschichtliche Bewegung vorstellen, in der wir begriffen sind: Sie wird notwendig zu einem bestimmten Resultat führen. Dessen können wir auch dann gewiss sein, wenn wir die Bestimmtheit des Resultats nicht zu erkennen vermögen. Die Bestimmtheit ergibt sich aus dem Prozess, dessen Resultat es ist: Wir bringen unsere Zukunft selbst hervor, wenn auch ohne zu wissen, was wir tun.
  11. Theunissen sieht darin, dass Hegel das Dasein als „seiende Einheit von Sein und Nichts“ bestimmt, einen „sagen, metatheoretischen Begriff“. (Theunissen, Sein und Schein, S. 194) Das kann man so sehen, wenn man nicht anerkennt, dass ein Ganzes aus Momenten in seiner Entwicklung seine Momente selbst als seine Darstellungsformen hervorkehrt. Für Hegel ist das Denken eines Gedankens verbunden mit der Darstellung des Gedankens in den Formen seiner Momente, d.h. in den – inzwischen unselbständigen - Formen der Gedanken, die zu diesem Gedanken geführt haben. Es handelt sich also nicht um „metatheoretische Begriffe“, sondern um Formen der gedanklichen Aneignung der Entwicklung zu einem Gedanken hin auf dem Niveau dieses Gedankens selbst. (Durch den Ausdruck „metatheoretisch“ zerreißt man diesen Zusammenhang und macht aus der Aneignung der eigenen Voraussetzungen im Denken im Gegenteil eine Trennung von einer „Objektebene“ und einer „Metaebene“.) Das Dasein hat die beiden Momente des Seins und des Nichts, und muss daher in diesen beiden Momenten als seinen Gedankenformen gedacht werden.
  12. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik II. Erster Teil. Die objective Logik. Zweites Buch. Zweiter Teil. Die subjective Logik. In Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Werke Bd. 6, Frankfurt 1969, S. 320.
  13. Ebenda
  14. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik II. Erster Teil. Die objective Logik. Zweites Buch. Zweiter Teil. A.a.O., S. 320f.
  15. Ernst Tugendhat, „Das Sein und das Nichts“, in: Durchblicke. Martin Heidegger zum 80. Geburtstag. Frankfurt am Main, 1970, S. 150
  16. Ebenda
  17. Ebenda
  18. Ebenda, S. 132
  19. Ebenda, S. 151
  20. Negativität ist ein Abstraktionsbegriff. Er bezeichnet das Negative an etwas, hier an dem Begriff des „Etwas“, Die erste Negation ist die abstrakte Negativität des Etwas, die der Positivität des Etwas gegenübersteht und sie nicht als solche setzt, im Unterschied zur „absoluten Negativität“.
  21. Frege gibt ein schönes Beispiel für die abstrakte Negativität. Er zeigt, dass ein verneinendes Urteil keine Auflösung eines Gedankens sein kann. Er möchte dann zu Schlussfolgerungen übergehen, in denen verneinte Prämissen vorkommen, und schreibt: „Mit dem Glauben an die trennende, auflösende Kraft des Verneinens hängt es zusammen, dass man einen verneinenden Gedanken für weniger brauchbar hält als einen bejahenden.“ Dennoch zeigt sich, dass man in einem Schluss von verneinenden Gedanken Gebrauch machen kann. (Gottlob Frege, Die Verneinung. In: ders., Logische Untersuchungen. Hrsg: Günther Patzig, Göttingen 1993, S. 61). Mit Recht kommentiert Stuhlmann Laeizs diese Stelle mit den Worten: „Das Ziel von Frege ist hier, dem Verneinen den negativen Anstrich zu nehmen, der dem Namen ‚Verneinung’ möglicherweise anhaftet, und bei der Benutzung derselben mitgedacht wird.“ Im Gegenteil besteht nach Frege und Stuhlmann Laeizs nicht der geringste Grund, negative und positive Prämissen zu unterscheiden. (Stuhlmann Laeisz, Gottlob Freges Logische Untersuchungen. Darstellung und Interpretation, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, S. 107) Die Negation soll von ihrem negativen Beigeschmacks gereinigt werden, der ihr „alltagssprachlich“ beiwohnt. Das Resultat dieser reinigenden Abstraktion ist die abstrakte Negativität, die man ebenso als Positivität ansprechen und vor allem gebrauchen kann. So führt die Trennung von Inhalt und Methode dazu, dass beim Gebrauch der „Operation“ Negation von ihrem „negativen Anstich“ vollständig abstrahiert werden kann. Das geht allerdings nur in bestimmten Grenzen. Diese Grenzen werden dann in solchen Theorien gerne für die Grenzen der Rationalität schlechthin angesehen, über die hinaus solche gereinigten Operationen nicht angewendet werden dürfen, weil dann die Widersprüche sichtbar werden, zu denen solche Abstraktionen führen.
  22. Die Kennzeichnung des Insichseins als Reflexion in sich kann sich nur auf eine äußere Reflexion des Insichseins beziehen. Unmittelbar genommen ist es eben nicht Reflexion in sich, weil diese Denkform als solche noch nicht entwickelt ist. Wird erst die Reflexion in sich entwickelt sein, so wird man das Insichsein als einen ersten Fall von Reflexion in sich erfassen. Unter Reflexion-in-sich ist nichts anderes zu verstehen als die Einheit, die sich als die wesentliche Beziehung in sich entgegengesetzter Momente darstellt, die nur in der Entgegensetzung sind, diese Entgegensetzung aber in ihrer Einheit selbst negieren. Die Reflexion in sich ist zudem – wenn sie weiter entwickelt ist – als Rückkehr in sich und Spiegelung in sich gedacht, die der wesentlichen Beziehung auf Anderes als Reflexion in Anderes entgegengesetzt wird. Insofern ist das Insichsein ein gutes Beispiel für erste Form der Reflexion in sich, aber eben nur ein Beispiel, nicht die Entwicklung dieser Gedankenform selbst, die erst in der Wesenslogik ihren Ort hat.
  23. Henrich erkennt in dieser ersten Negation der Negation keine Selbstbezüglichkeit der Negation. (S. 223) Das kann man so sehen. Denn die Selbstbeziehung des Insichseins ist deshalb verschwindend, weil zur Beziehung zwei Bezogene gehören. Die zwei Bezogenen sind zunächst als Realität und Negation da, aber sie werden selbst negiert. Was bleibt, ist allein das Insichsein, das als solches nur eine unmittelbare Beziehung auf sich selbst hat, oder eben im Hegelschen Sinne ist. Aber eine unmittelbare Beziehung auf sich selbst – ohne Vermittlung durch etwas Anderes – hebt sich selbst auf: Sie ist ein Widerspruch in sich. Denn der Begriff des Selbst hebt die Beziehung auf, die in der „Selbstbeziehung“ gedacht ist. Deswegen wird Hegel die Selbstbeziehung als vermittelt durch die Beziehung auf Anderes auf Anderes denken, wie Henrich das auch feststellt. Eine unmittelbare Selbstbeziehung ist ein Widerspruch in sich und hebt sich selbst auf. Diese Überlegung ist Henrich nicht fremd. Er stellt sie selbst dar in dem Artikel „Hegels Grundoperation“. Eine Einführung in die ‚Wissenschaft der Logik’“, in: Der Idealismus und seine Gegenwart. (Festschrift für Werner Marx) Hrsg. U. Guzzoni, B. Rang und L. Siep, Hamburg 1976, S. 216: „Denn die Negation der Negation hat ein Resultat. Darum ist die Selbstbeziehung der Negation zugleich ihre Selbstaufhebung.“ Hernrich bringt diese Überlegung dort auch in Verbindung mit dem Begriffspaar von Vermittlung und Unmittelbarkeit. Offenbar erkennt er aber diese von ihm selbst herausgearbeitete Gedankenstruktur im Text Hegels nicht wieder.
  24. Michael Theunissen sieht es als erforderlich an, Hegels Erfahrung der Negation zu berücksichtigen. Denn er unterscheidet in der objektiven Logik das betrachtende von dem betrachteten Denken. In diesem Sinne ist, wie in der „Phänomenologie des Geistes“, das betrachtete Denken in einer Erfahrung begriffen. Der Begriff der Erfahrung besteht bei Hegel eben in der Trennung von Inhalt und Methode. Diese Erfahrung der Negation bestehe darin, dass die Negation Tätigkeit im umfassenden Sinne sei. (Michael Theunissen, Sein und Schein, a.a.O., S. 173) Die Tätigkeit sei die Tätigkeit des Scheidens wie in der „Phänomenologie des Geistes“. Aber die Tätigkeit ziele zugleich auf die Überwindung des Scheidens ab, insofern die Tätigkeit in ihrer Gesamtheit die Rückkehr in sich, die Reproduktion des Tätigen beinhalte. Insofern vollende sich Tätigkeit, indem sie sich, als Scheiden, selbst aufhebe. Dieser Überlegung liegt die Trennung von Inhalt und Methode zugrunde, die Theunissen in der objektiven Logik voraussetzt. Es bedarf daher bei Theunissen zusätzlicher Überlegungen, um die Negation so zu denken, dass sie die Negation der Negation notwendig nach sich zieht oder gar enthält. In der Logik, die auf der Einheit von Inhalt und Methode beruht, enthält der Gedanke der Negation selbst den der Negation der Negation unmittelbar. Wie das Vergehen das Vergehen des Vergehens enthält – oder das Vergehen des Vergehens eine notwendige Seite des Prozesses des Vergehens ist –, so gilt das auch für die Negation: Die Negation lässt sich begrifflich nicht ohne Negation der Negation denken. In der Erfahrung erscheint das an vielem, so auch an der Tätigkeit, die dafür ein gutes Beispiel abgibt. Allerdings kommt Theunissen mit der Ersetzung von Negation durch Tätigkeit in Schwierigkeiten, weil das Endliche sich nur in seinem Vergehen erhalten kann. Das Endliche kehrt – so Theunissen S. 276 - nicht in sich zurück. Nach Hegel dagegen geht das Endliche in seinem Ende mit sich selbst zusammen, insofern es seinem Begriff nach das Endliche ist. Es ist als Endliches seinem Begriff nach bezogen auf die Unendlichkeit, in die es vergeht.
  25. Vgl. G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes. In G.W:F: Hegel, Werke in 20 Bänden. Bd. 3, Frankfurt 1970. Vorrede, S. 57 – 60. Hegel analysiert hier den Satz als einen Übergang von Subjekt zu Prädikat. Er sagt, dass die Form des Satzes seinem Inhalt widerspricht. Wer in einem Satz die Wahrheit zum Ausdruck bringen will, muss nach Hegel Sätze formulieren, in denen das Prädikat dasselbe sagt wie das Subjekt, und so der Übergang vom Subjekt zum Prädikat im Satz eine Gegenbewegung erfährt, insofern genauso vom Prädikat zum Subjekt übergegangen werden kann und letztlich muss. Nur in diesem Falle – dem des „spekulativen Satzes“ – kann in einem Satz die Wahrheit ausgesprochen werden. Genau genommen hebt sich bei einem wahren Satz der Übergang vom Subjekt zum Prädikat durch einen Gegenstoß selbst auf.
  26. Vgl. G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, a. a. O., im Kapitel „Die Sinnliche Gewissheit oder das Diese und das Meinen“ S. 84 f. In der Erfahrung der sinnlichen Gewissheit zeigt sich, dass ein Satz die unmittelbare Wahrheit nicht zu formulieren vermag, dass also die vermittelnde Form des Satzes der Unmittelbarkeit des behaupteten Inhalts widerspricht.