Texte:Nichts - Negation - Anderes
An der Bedeutung Henrichs für die Aneignung der Philosophie des deutschen Idealismus und insbesondere Hegels kann kein Zweifel bestehen. Viele Philosophinnen und Philosophen haben sich in ihrem Zugang zu dieser philosophischen Epoche von Henrich leiten lassen. Das gilt auch für den Verfasser. Insofern ist eine Kritik an Henrichs Verständnis der Hegelschen Negation auch eine Selbstkritik des Verfassers. Henrich hat mit Recht das Denkens des Denkens in den Mittelpunkt seiner Forschung zu Hegel gerückt.
1. Anschlussfähig an die Gegenwart?
Henrich hat als phänomenologisch orientierter Philosoph versucht, das Denken Hegels in einer Zeit zum Gegenstand der Diskussion zu machen, als die analytische Philosophie zu dominieren begann. Das gilt auch für den hier zu erörternden Artikel: „Formen der Negation in Hegels Logik“.Referenzfehler: Für ein <ref>
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-Tag. Dabei soll sich Hegel einer ihm unbewussten Konfusion zweier Formen der Negation bedient haben. Unter dem Titel „Bestimmtheit“ (Henrich, S. 219) vermengt Hegel unbewusst die „einstellige“ Negationsform der ontologisierten negativen Aussageform (wie in „Der Tisch ist nicht“ oder „Der Tisch ist nicht rund“; ) und die „zweistellige“ Form der Negation als „Andersheit“ („Der Tisch ist anders als der Stuhl“ oder anders formuliert “Der Tisch ist nicht der Stuhl“). Henrich identifiziert in einer Fußnote Anderssein und Andersheit (Henrich, Fußnote 5, S. 219 bzw. S. 228), indem er feststellt, dass er das Wort Andersheit wie das Wort Anderssein gebrauche. Ein Übergang von der Form der Negation als ontologisierter negativer Aussageform zur Form der Negation als Andersheit werde von Hegel mit sehr schwachen Argumenten versucht (Henrich, S. 219). Dabei will Henrich offen lassen, ob sich bessere Argumente finden ließen. Henrich identifiziert die erste Form der Negation, die „einstellige“ Form, mit der von Hegel so genannten „abstrakten Negation“ (Henrich S. 216) und die davon unterschiedene „zweistellige“ Negation mit der von Hegel so genannte „dialektischen Negation“ (Henrich, S. 218).
Die „einstellige“ Negation, die sich aus der ontologisierten negativen Aussageform herleite, sei für Operationen des Absprechens oder des Eliminierens erforderlich. Dagegen sei der „zweistelligen“ Negationsform der „Andersheit“ das Eliminieren nicht eigentümlich. Daher ergebe sich für Hegel die Notwendigkeit der Konfusion der beiden Formen der Negation. (Henrich, S. 222) Hegel wolle das Selbstverhältnis als ein Fremdverhältnis konzipieren und letzteres dann wieder aufheben. Insofern bestehe für ihn ein „Zwang“ (Henrich, S. 222), auch der Negationsform der „Andersheit“ die Fähigkeit des Eliminierens zuzusprechen. Das gelinge aber nur durch die Konfusion mit der „einstelligen“ Negationsform, die das Eliminieren zu denken erlaube.
Aber Hegel konfundiere nicht nur die Formen der Negation, sondern auch die Formen der Negation der Negation. Dabei nennt Henrich drei Formen.
a. die Negation der Negation als grammatische Regel, deren Negation allerdings beliebig wiederholbar ist, (Henrich, S. 217 und S. 220) b. die Negation der Negation als „Andersheit an sich“, in der die Negation als selbstbezüglich gedacht ist (Henrich, S. 223) und c. die Negation der Negation als Insichsein, Fürsichsein, Subjekt etc. (Henrich, S. 223), die a. nicht als selbstbezüglich gedacht ist, und sich so von der „Andersheit an sich“ unterscheidet, und die b. nicht beliebig wiederholbar ist, und sich dadurch von der doppelten Verneinung der Aussage unterscheidet.
Hegel habe kein Bewusstsein solcher Unterschiede gezeigt. Im Gegenteil habe er um seiner Systemkonstruktion willen die Konfusion genutzt. Denn er gewinne den Abschluss seines Systems, indem er die zweite Form der Negation der Negation der dritten Form der Negation der Negation subsumiere, woraus sich der Begriff der „absoluten Negativität“ ergebe. (Henrich, S. 224) Henrich kommt zu dem Schluss, dass Hegel um der Realisierung des Systems willen die Formen der Negation und die Formen der Negation der Negation konfundiere: „Was sich aus übersehbaren Gründen durch die Verschiebung der Bedeutung natürlicher Operationen und Begriffe gewinnen lässt, das hat seinen Ursprung offenbar in dem konstruktiven Willen eines Theoretikers. Es kann nicht geradezu als Selbstdarstellung einer objektiven Vernunft gelten.“ (Henrich, S. 226) Daher dürfe man nie vergessen, dass sich die Hegelschen Begriffe „ganz allein aus dem konstruktiven Zugriff der Theorie gewinnen“ (Henrich, S. 227) lassen. Es sei daher verfehlt – wie Henrich mit Blick auf Friedrich Engels und die Vertreter der marxistischen Philosophie feststellt – einzelne „Gesetze der Dialektik“ aus ihrem Zusammenhang, also dem der Hegelschen Philosophie, zu reißen.