Texte:Identität bei Frege und Hegel

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Identität bei Frege und Hegel
Logische Probleme der analytischen Philosophie
von Stephan Siemens
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Das Problem des wissenschaftlichen Sprechens

Wenn ich hier einen Artikel schreibe, dann hoffe, dass die Leserinnen und Leser mich verstehen. Das liegt selbstverständlich nicht nur an mir, sondern auch an ihnen und an der Sprache, die ich und die sie verwenden. Es ist vielleicht eine "Misslichkeit", dass ich mich zur Mitteilung meiner Gedanken sprachlicher Zeichen bedienen muss, und dass ich zugleich auf den guten Willen Anderer angewiesen bin, die Zeichen, die ich gebrauche, zu verstehen. Vor allem in einem wissenschaftlichen Gespräch, wo es einerseits auf Genauigkeit ankommt, andererseits darauf, dass die Sprache nicht von den einzelnen Menschen abhängt, sondern allgemein verständlich ist, kann man auf die Idee kommen, dass es notwendig oder doch wenigstens hilfreich sein könnte, sich genau zu verständigen, wie man die Sprache gebrauchen möchte und was welcher Ausdruck bedeutet. Da Wissenschaft Wissen in einer sprachlichen Form in einer sprachlichen Gemeinschaft darstellt und ohne das auch nicht zu haben ist, ist es verständlich, dass Menschen auf die Idee kommen, bevor sie mit der Wissenschaft anfangen, sich erst einmal des Mittels versichern zu wollen, mit dem sie in wissenschaftlichen Austausch miteinander treten. Dieses Mittel aber ist die Sprache.

Dabei ist allerdings der Umgang mit der Sprache in der Wissenschaft verschieden, und innerhalb dieser Verschiedenheiten gibt es einen Hauptunterschied: Die einen versuchen, durch Wiederholungen, Reflexionen beim Sprechen und Überlegungen über die Verständlichkeit der Sprache, die sie benutzen, Verständigung mit den anderen Menschen zu erzielen und zu sichern. (Das geschieht meist durch Ausschluss möglicher Missverständnisse.) In der Alltagssprache ist dies der einzig mögliche Weg. Verfolgt man diesen Weg, so spricht man nicht nur zur Sache, sondern immer zugleich auch über die Sprache, mit der man zur Sache spricht. Es ergibt sich so eine unvermeidliche Arbeit an Unklarheiten, die man immer wieder zu überwinden hat, und deren Klärung man als die Aufgabe des Gesprächs ansieht. Das Denken ist ein selbstbezüglicher Prozess. Die Sprache als solche verfügt über keine Ausdrucksformen der eigentlichen Selbstbeziehung und ist als solche prozesslos. Daher ist es erforderlich, beim Sprechen diese Selbstbeziehung durch Wiederholung, Präzisierung und Abbildung der Bewegung des Denkens durch Fortbestimmung in der Sprache abzubilden.[1] Im Alltag ist diese Notwendigkeit selbstverständlich bewusst. Das Sprechen ersetzt die mangelnde Reflexivität der Sprache, wenn auch nur unzureichend und beschränkt.[2]

Man kann aber auch auf die Idee kommen, die Alltagssprache und die Sprache der Wissenschaft zu unterscheiden. In der Wissenschaft - so könnte man denken - ist es zuerst notwendig, die Sprache, in der man wissenschaftliche Ergebnisse darstellen will, zu klären, und dann die Wissenschaft in dieser geklärten Sprache vortragen zu wollen. Ein solches Verfahren ist zum Beispiel für die Mathematik sehr geeignet, weil man es dort nur mit normierten gedanklichen Operationen zu tun hat, die jede und jeder in gleicher Weise gedanklich auszuführen hat. (Allerdings führt das in der Mathematik auch zu den bekannten Widersprüchen.)Außerdem geht die Mathematik nur mit solchen Voraussetzungen um, die für alle Menschen die gleichen sein sollen. Glaubt man – wie viele es glauben – dass die Mathematik das Urbild aller Wissenschaften sei, so könnte man versucht sein, diese Form der Klärung der Sprache vorab schlechthin für die einzig wissenschaftliche Form erklären zu wollen. Man würde dann zuerst über die Sprache zu sprechen haben, in der man spricht, und dann erst über die Sache, von der die Wissenschaft handelt. Man hat bei dem Sprechen über die Sprache natürlich genau das Problem, das man eigentlich vermeiden wollte: Man verständigt sich in der Alltagssprache über die in der Wissenschaft zu verwendende Sprache. Aber dieses Problem möchte man in einer ganz bestimmten Weise vorab ein für alle Mal lösen. In der Sprache der Wissenschaft würde man so das Problem der Abbildung der Reflexivität des Denkens vermeiden.
  1. Das künstliche Bild - und die Sprache ist ein künstliches Bild im Unterschied zum Denken selbst - ist prozesslos. Es kann Prozesse nur nachahmen. Diese sehr wichtige und für die Kritik deer analytsichen Philosophie unerlässliche Erkenntnis verdanke ich Klaus Peters.
  2. Die mangelnde Reflexivität der Sprache äußert sich darin, dass die Selbstbezüglichkeit sprachlicher Ausdrucksformen, insbesondere von Sätzen, in einer Form gedacht wird, in der gerade von der Selbstbeziehung verschwindet. Der Satz "Dieser Satz ist falsch." bezieht sich in derselben Form auf seinen Inhalt wie der Satz "Der vorherige Satz ist falsch." Ein Satz bezieht sich auf sich selbst wie auf jeden anderen Inhalt des Satzes. Die Selbstbeziehung ist deswegen so gedacht, als ob sie keine Rolle für das Verständnis des Satzes spielen würde. Damit wird die Selbstbeziehunga aber geleugnet und der Beziehung auf eetwas anderes gleichgesetzt. Man kann das auch "äußerliche Reflexivität" nennen. Man denkt die Reflexivität in einer reduzierten Form, in der man se als eine äußerliche Form denkt. Wollte man sich diesen Unterschied verständlich machen, so kann man einen Vergleich mit einem Spiegel ziehen: Reflexivität würde danach bedeuten, sich im Spiegel zu sehen und zu erkennen. Äußerliche Reflexivität würde bedeuten, sich im Spiegel zu sehen, ohne dass man sich erkennt. Es wäre Reflexivität in einer Form, in der es nicht zum Ausdruck kommt, dass es sich um eine Selbstbeziehung handelt.