Texte:Sommernachtstraum

Aus club dialektik
Version vom 28. November 2007, 17:34 Uhr von Stephan (Diskussion | Beiträge) (g) Die beide verwirrten Paare im Wal)

Wechseln zu: Navigation, Suche
Sommernachtstraum
Herrschaft und Sexualität
von Stephan Siemens
Druck Version


"Ein Sommernachtstraum" ist eine märchenhafte Liebesgeschichte, die in einer bunten Zauberwelt spielt. Viele Interpretationen und Inszenierungen belassen es dabei. Auf diese Weise entgeht ihnen jedoch eine wichtige Seite des Stücks, die Seite der Auseinandersetzung mit der Ehe als einer der zentralen Institutionen des Patriarchats. Dabei wird allgemein eingeräumt, dass die Hochzeit des Theseus den Rahmen der Handlung bestimmt. Durch sie werden angeblich an sich zusammenhangslose Handlungsstränge verknüpft. Eine Lesebrille, die nur die märchenhafte Liebesgeschichte zur Kenntnis nehmen will, verstellt den wirklichen Zusammenhang des Stücks. Shakespeare gibt eine literarische Kritik der patriarchalen Ehe und der Herrschaftsverhältnisse. In der folgenden Interpretation liegt der Schwerpunkt auf dieser Kritik, die das Stück als eine Einheit erscheinen lässt, die nicht nur durch einen gemeinsamen Rahmen, sondern vor allem durch einen einheitlichen Inhalt erreicht wird.

Die menschliche Welt

a) Theseus und Hypolita

Das Theaterstück beginnt mit einem Paukenschlag. Theseus, der Heerführer und Herzog von Athen, dem rationalen Männerstaat schlechthin, heiratet Hippolyta, die ehemalige Königin und Heerführerin der von ihm besiegten Amazonen. Die Amazonen sind ein Volk, in dem die Frauen das Militär stellen und die führende Rolle in der Gesellschaft spielen. Dieses Volk, die Skythen, wird von den Athenern besiegt. Der Sieg wird dokumentiert in der Hochzeit von Theseus mit Hippolyta. Die Ehe ist hier Ausdruck des militärischen Sieges des Patriarchats über die Frauen. Diese Hochzeit findet sich auch in der von Shakespeare benutzten Vorlage, der Erzählung des Ritters in den Caterbury-Tales von Chaucer. Dort wird noch eingehender beschrieben, wer Hippolyta und die Amazonen sind. Dort wird auch die Zuordnung zu den Skythen vorgenommen.

Die Hochzeit steht in vier Tagen bevor. Der Mond regiert die Zeit. In vier Tagen kommt der neue Mond und damit die Hochzeit. Theseus kann es gar nicht erwarten, während Hippolyta, wie es scheint, mehr Geduld aufbringt. Theseus erinnert an den militärischen Kampf zwischen beiden, möchte ihn aber vergessen machen durch die Hochzeit.

"Hippolyta, zwar freite Dich mein Schwert, Als Feind eroberte ich Deine Liebe, Doch unsere Hochzeit wollen wir froher feiern Mit Pomp, Triumph und mitternächtigem Spiel."[1]


Shakespeare beginnt also mit dem Sieg der Männer über die Frauen. In der menschlichen Welt setzt er das Patriarchat voraus. Er beschäftigt sich nicht mit der Frage, wie und warum es zu diesem Sieg kommt, sondern mit den Problemen, die daraus für das Verhältnis der Geschlechter resultieren.

b) Egeus und Hermia

Zu einer Antwort Hippolytas kommt es nicht, weil Egeus die Szene unterbricht. Er will, dass seine Tochter Hermia den Demetrius heiratet. Aber das eigensinnige Mädchen liebt Lysander. Deswegen fordert Egeus für den Fall, dass sich Hermia auch im Angesicht des Theseus weigert, ihrem Vater zu gehorchen, den Tod seiner Tochter, wie es das Athener Recht vorsieht. Der Sieg des Patriarchats über die Frauen hat sich bereits nach wenigen ZeilenFußnote [2] in ein altes Recht verwandelt. Der Vater hat das Recht über den Willen wie das Leben der Tochter. Egeus fordert, dass sich seine Tochter Hermia in der Frage, mit wem sie ihr Leben verbringt, wem sie sich schenkt und sexuell hingibt, seinem Willen fügt. Sollte sie das nicht tun, so fordert er den Tod der Tochter. Theseus unterstreicht das Recht des Egeus. Er sagt:

  Dein Vater sollte wie ein Gott für Dich sein.

Und als Hermia sich wünscht, dass ihr Vater ihren Standpunkt akzeptieren möge:

  "Säh doch mein Vater das mit meinen Augen"

antwortet Theseus:

  Nein, Du sollst das mit seinen Augen sehen.

Doch dazu ist Hermia nicht bereit. Theseus will ein Todesurteil vermeiden und führt eine dritte Möglichkeit ein: Hermia kann auch dem Umgang mit Männern überhaupt entsagen und ins Kloster gehen, wo sie dem kalten unfruchtbaren Mond verzagte Hymnen leiern darf. Für Frauen soll es im Patriarchat kein sexuelles Selbstbestimmungsrecht geben. Entweder sie richten sich nach dem Willen ihres Vaters oder sie verzichten auf Sexualität überhaupt. Frauen werden durch das Patriarchat von ihrer Sexualität getrennt, die ein Mittel in der Hand der Väter und der Ehemänner geworden ist[3] . Bis zur Hochzeit des Theseus hat Hermia Zeit, sich zu überlegen, ob sie nicht doch lieber ihre "Einbildungen" dem Willen ihres Vaters anpassen mag.

Als Lysander Hermia zu Hilfe kommt, bekräftigt Egeus noch einmal: Meine Liebe zu Demetrius schenkt ihm, was mein ist, was mir gehört, und meine Tochter ist mein, gehört mir. Deswegen kann ich sie und werde ich sie dem Demetrius schenken. Lysander greift ein und erwähnt, dass Demetrius in Helena verliebt war. Offenbar ist auf Demetrius nicht viel Verlass. Hermia behauptet auch angesichts des Todes und gegenüber dem Herzog Theseus ihren Willen. Sie wehrt sich gegen die väterliche Verfügung über ihr Leben. Hippolyta schweigt vielsagend. Theseus fragt sie, was sie hat, erhält aber keine Antwort. Dann ziehen alle sich auf Bitten des Theseus zurück. Auf der Bühne bleiben lediglich Hermia und Lysander. Der Sieg des Patriarchats hat sich dahin ausgewirkt, dass der Vater das Recht hat, über seine Tochter - was ihren Willen und sogar was ihr Leben betrifft - zu bestimmen

c) Lysander und Hermia

Hermia hält selbst angesichts der fürstlichen Macht des Theseus an ihrer Entscheidung für Lysander fest. Aber damit ist ihr Mut verbraucht. Lysander versucht, der erschrockenen Hermia neuen Mut einzuflößen. Wahre Liebe hat immer wieder mit verschiedensten Hindernissen zu kämpfen. In einer Art Duett zählen Lysander und Hermia diese Hindernisse auf und kommentieren sie: Altersunterschiede, Unterschiede des Standes und Ranges, Einfluss von Freunden oder Verwandten, gesellschaftliche Verwicklungen, die eine Liebe unmöglich erscheinen lassen. Die wahre Liebe überwindet solche Hindernisse. Lysander entwickelt einen Plan: Hermia und Lysander könnten zu seiner Tante fliehen, die Lysander liebt und von deren Einkünften sie leben könnten. Dort, außerhalb des Machtbereichs Athens könnten sie beide heiraten. Allerdings müsste Hermia dafür ihre eigene Familie und ihren eigenen Hintergrund aufgeben, sich völlig - wie wir heute sagen würden - in die ökonomische Abhängigkeit von Lysander begeben. Sie hätte praktisch niemanden mehr auf der Welt als Lysander, von dem sie vollständig abhängig wäre. Zwar geht Hermia auf diesen Plan ein. Sie macht aber sich und Lysander das Prekäre ihrer Lage deutlich, indem sie in folgender Weise schwört, zum vereinbarten Treffpunkt zu gehen:

  "Bei allen Treuschwurn, die ein Mann je brach, 
  und die sind mehr, als je ein   Weib versprach..."

Auf Männer und ihre Treue kann man sich nicht verlassen. Das weiß Hermia. Sie zitiert Beispiele aus der Literatur, wie Dido und Aeneas, die Geschichten von Verrat von Männern an Frauen erinnern. Hermia begibt sich praktisch in die Hand des Lysander, wenn sie sich auf ihn verlässt, und damit auf dünnes Eis. Das, wovon Hermia leben würde, wäre abhängig von der Liebe des Lysander. Um sich vom Vater zu befreien, stürzt sie sich in die Abhängigkeit von ihrem Ehemann, der immerhin ein anderer ist als der, dem ihr Vater sie zu übergeben wünschte.

d) Demetrius und Helena

In dem Moment tritt Hermias Freundin Helena auf. Sie liebt Demetrius, mit dem sie verbunden war, bis er plötzlich Hermia heiraten wollte. Helena vergleicht sich und ihre Schönheit mit Hermia, beklagt ihr Schicksal und sagt, dass sie die ganze Welt für die Liebe des Demetrius geben würde. Hermia beteuert, dass sie nichts tut, um Demetrius für sich zu gewinnen. Im Gegenteil macht sie ihm ihre Ablehnung deutlich. Aber gerade diese Unerreichbarkeit scheint Hermia für Demetrius interessant zu machen. Um ihr Desinteresse an Demetrius zu unterstreichen, erzählt Hermia Helena vom Plan der gemeinsamen Flucht mit Lysander. Lysander bittet Helena, diesen Plan nicht zu verraten. Doch das nützt nichts. Denn Helena beschließt, Demetrius die Flucht zu enthüllen. Helena zeigt sich emotional abhängig von der Liebe des Demetrius, von dem sie durchaus einsieht, dass er ihre Liebe nicht wert sein könnte. Aber Einsicht hilft bei Liebe nicht. Die Liebe ist blind.

  "Die Liebe sieht nicht, sondern träumt und sinnt,
  Drum malt man den geflügelten Amor blind.
  Auch hat ihr Traum von Urteil keine Spur:
  Flügel und blind! So hastet Liebe nur,
  Die Liebe, die man oft ein Kind drum nennt,
  Weil ihre Wahl sich kindisch oft verrennt."

Helena ist Demetrius vollständig erlegen und sieht, dass sie es übertreibt. Aber die Liebe hat sie voll im Griff. Diese Reflexion deutet vor auf die Szene der vier jungen Leute im Wald, worin sie völlig in der Hand der von ihnen nicht mehr kontrollierbaren Liebe sind. Sie zeigt, dass das Verhältnis der Geschlechter die Menschen vollständig bestimmen und zu für sie unkontrollierbaren Taten bringen kann.

Helena will nur Demetrius, und für ihn die ganze Welt geben. Während Hermia sich gegen den Herrschaftsanspruch des Patriarchats zur Wehr setzt und ihren eigenen Willen behaupten will, realisiert Helena praktisch selbst den Herrschaftsanspruch des Patriarchats gegen sich selbst, verleugnet und entwürdigt sich, indem sie sich als emotional abhängig empfindet und das auch ausspricht. Diese Abhängigkeit wird im weiteren Verlauf noch deutlicher.

So ergibt sich ein Bild von den Auswirkungen des Patriarchats. Am Anfang steht die Niederlage der Frauen gegen Theseus, der die Amazonen besiegt. Dieser Sieg dokumentiert sich in der Hochzeit zwischen Theseus und Hippolyta. Der Sieg zeigt sich weiter daran, dass die Tochter als Eigentum des Vaters gilt, der für seine Tochter wie ein Gott sein soll. Als Hermia an ihrem Entschluss, Lysander zu heiraten, festhalten will, muss sie sich in die ökonomische Abhängigkeit von Lysander begeben, ein Entschluss, der sich auf den - wie sich zeigen wird, eher zweifelhaften - Treueschwur von Lysander stützt. Die Rechte des Vaters übernimmt der Ehemann, von dem die Ehefrauen abhängig sind. Helena schließlich erweist sich als emotional abhängig von Demetrius, ohne den sie nicht leben kann und will. Das sind Stufen des Eindringens des Patriarchats in das Leben der hier dargestellten Frauen. Der militärische Sieg des Theseus über Hippolyta zeigt sich immer konkreter und immer persönlicher im Leben der dargestellten Frauen und ihren Verhältnissen zu den Männern, die sie lieben. Hermia und Helena stellen zwei unterschiedliche Reaktionen auf das Patriarchat dar. Während Hermia sich zu behaupten versucht, wobei sie auf Lysander angewiesen bleibt, realisiert Helena den Herrschaftsanspruch des Patriarchats gegen sich selbst und wird dadurch für Demetrius uninteressant.

e) Die Handwerker

Handwerker, die ein Theaterstück für die Hochzeitsfeier von Theseus einstudieren wollen, kommen zusammen. Als Regisseur fungiert Peter Squenz. Der eigentliche Star der Truppe ist jedoch Nick Bottom, zu deutsch Klaus Zettel. Er tritt mit allen Allüren auf, die ein Star am Theater mitbringen muss. Zettel würde am liebsten alles selbst machen. Er scheint zu bedauern, dass er Mitspieler braucht. In rührend elementaren Formen denkt er über die Wirkungsweise der Schauspielkunst nach. Zettel ist eitel, aber er ist auch der anerkannte Star der Gruppe. Alle anderen Schauspieler anerkennen seine Fähigkeiten so sehr, dass auch der Regisseur Squenz seine Mühe hat, mit Zettel fertig zu werden. "Zettel" ist eine gute Übersetzung für "Bottom". Denn der Zettel erlangt seine Bedeutung nicht aus sich selbst, sondern durch das, was darauf steht. Er braucht eine Rolle. Erst die Rolle gibt ihm seine wahre Bedeutung. Deswegen ist Zettel auch sehr auf die Spiegelung seiner schauspielerischen Qualitäten durch andere angewiesen, die ihn bewundern sollen und das auch tun. Der Zuschauer ist von den Übertreibungen und Unbeholfenheiten Zettels amüsiert. "Bottom" aber hat noch eine Nebenbedeutung, die bei "Zettel" nicht sichtbar ist, nämlich die von "Boden", von "Unten". Bottom ist als Handwerker in der gesellschaftlichen Hierarchie unten. Er ist - wie die im Stück auftretenden Handwerker überhaupt - beschränkt und borniert, was an zahlreichen sprachlichen Fehlern zum Ausdruck kommt, die er und die anderen Handwerker machen.

Man beschließt das Stück Pyramis und Thisbe zu spielen. Man verteilt die Rollen, wobei Zettel Squenz immer wieder die Regie aus der Hand nimmt. Sqenz bestellt die Schauspieler zur nächtlichen Probe in den Wald.

Die Elfenwelt

a) Der Kobold Puck

Im nächtlichen Wald treffen sich der Kobold Puck und eine Elfe. Puck ist der Hofnarr des Oberon und treibt mit den Menschen zu seinem und seines Herrn Vergnügen zahlreichen Schabernack, der von der Elfe aufgezählt wird. Auch Puck selbst erzählt stolz von einigen Streichen, die er den Menschen zu spielen pflegt. Puck verkehrt gerne die Dinge und verwirrt sie, um sich zu amüsieren. Aber nicht nur er selbst, auch andere Menschen als die Betroffenen profitieren von seinen Scherzen und lachen. So haben auch die Zuschauer des "Sommernachtstraum" ihre Freude an der Verwirrung, die Puck unter den Liebenden und den Handwerkern stiftet. Aber Puck kann auch denen helfen, die ihn mögen und deswegen richtig ansprechen. Puck ist - das wird sich im Verlaufe des Stücks zeigen, die komödiantische Verkehrung der Verhältnisse.

Zugleich wird in dem Gespräch angedeutet, dass Oberon und Titania im Streit über einen Knaben liegen, den Oberon gerne als Pagen oder Knappen hätte, den Titania aber nicht herausgeben will. Doch da kommen schon die beiden selbst: Der König der Elfen von der einen und die Königin der Elfen von der anderen Seite.

b) Oberon und Titania

Sofort entflammt erneut der Streit. Schon die Begrüßung ist unfreundlich. Titania wirft Oberon vor, eifersüchtig zu sein. Zugleich aber zeigt sie sich selbst als eifersüchtig, indem sie glaubt, dass Oberon Hippolyta liebt und ihretwegen nach Ahten gekommen ist. Oberon wirft umgekehrt der Titania vor, den Theseus als Liebhaber gewollt zu haben. Beide sind hier, um das königliche Paar zu segnen. Aber sie liegen im Streit. Titania verweigert Oberon das gemeinsame Ehebett. Oberon verdirbt den Elfen den Spaß an Spiel und Tanz. Der Wind, der so vergeblich zum Tanz pfeift, rächt sich durch Verwirrung der Natur. Durch die Entzweiung des Paares kommt so die gesamte Natur in Unordnung. Überschwemmunggen zerstören die Ernte, Seuchen raffen die Haus- und Hoftiere hinweg. Die Jahreszeiten kommen durcheinander und die Menschen leiden wegen des Streits zwischen Oberon und Titania. Oberon fordert erneut den Knaben. So ließe sich der Streit beilegen. Doch Titania verweigert seine Herausgabe. Denn eine menschliche und also sterbliche Freundin aus Indien hat diesen Knaben, ihr Kind, der Titania anvertraut, als sie bei der Geburt starb. Nicht um das Elfenreich will sie den Knaben hergeben, beharrt Titania. Da sich Oberon nicht am Spiel und Tanz der Elfen beteiligen will, trennen sich die beiden. Oberon und Titania sind personifizierte unsterbliche Naturmächte, die als Paar und deren Verhältnis zueinander über die Nutzbarkeit der Natur entscheiden. Vertragen sie sich nicht, dann kommt die Natur insgesamt in Verwirrung und ins Chaos. Die Menschen können die Natur für sich nicht nutzen. Umgekehrt kommt die Natur zur Ruhe, wenn Oberon und Titania in Harmonie leben. Als personifizierte Naturmächte sind sie gleichberechtigt.[4]

Aber sie sind sich nicht einig. Auch jetzt widersetzt sich Titania dem Willen des Oberon.

Deshalb sinnt Oberon auf Rache. Er schickt Puck nach der Pflanze mit dem Liebessaft aus. Diese Pflanze war versehentlich durch den Pfeil des Amor getroffen worden, so dass ihr Saft die Wirkung dieses Pfeils aufnahm. Mit diesem Saft will Oberon sich rächen. Denn der Saft erlaubt es, die tollste Liebe in jeder und jedem zu erwecken. Wer mit dem Saft dieser Pflanze beträufelt wird, den oder die hat die Liebe im Griff. Nicht er oder sie liebt, sondern er oder sie ist das Opfer seiner Liebe; er ist seiner Liebe untergeordnet und subsumiert. Oberon will mit dem Zaubersaft Titania demütigen: Sie soll in Liebe zu einem ihr unangemessenen Wesen entbrennen. Von diesem Zauber will er Titania erst lösen, wenn sie den Knaben hergibt. Puck eilt, die Blume zu besorgen.

Die Natur ist im Chaos versunken, weil die Geschlechter der Elfen sich streiten. Denn die Natur ist auf die harmonische Einheit der sich gegenseitig bedingenden und gegenseitig ausschließenden Geschlechter angewiesen. Diese Harmonie ist durch einen Konflikt gestört, der seinerseits mit der Existenz der Geschlechter zusammenhängt. Es geht um die Erziehung des Knaben, der aber, weil Elfen unsterblich sind, nicht das Kind der beiden sein kann. Dennoch sind die Geschlechter mit der Fortpflanzung und damit mit der Erziehung der Kinder verbunden. Darin ist ein Konflikt angelegt, weil Titania die mütterliche Fürsorge für den Knaben nach Oberons Ansicht zu weit treibt. Oberon möchte ihr den Knaben entziehen, um ihn als seinen Pagen zu erziehen.

Der Liebessaft

a) Demetrius und Helena im Wald

Oberon sieht nun Helena und Demetrius in den Wald kommen. Demetrius sucht Hermia und Lysander. Shakespeare verwendet ein Wortspiel mit dem Wort "wood", das einerseits "Wald", andererseits "verrückt vor Ärger" bedeutet, um den Wald als Szenerie zu charakterisieren. Demetrius sagt:

  "And here I am, and wood within this wood?"

Das heißt auf Deutsch soviel wie:

  Und hier bin ich, verrückt in diesem Wald...[5]

Verrückt vor Ärger steht Demetrius im Wald, der selbst diese Verrücktheit ist: Die Welt der Elfen, die der Wald bei Nacht ist, ist die Welt der Verrücktheit, die verrückte Welt. Demetrius wehrt sich dagegen, dass Helena ihm folgt. Aber Helena sagt, er, Demetrius, sei der Magnet, der sie anzieht. Sie vergleicht sich mit einem Hund, den Demetrius schlagen kann, wie er will; und dennoch liebt der Hund seinen Herren.

  "Ich bin Dein Hund, Demetrius, Dein Spaniel.
  Je mehr Du schlägst, je mehr werd ich Dir schmeicheln:
  Tu mir wie Deinem Spaniel! Scheuch mich, schlag mich,
  Verachte mich, verlier mich, nur erlaub mir,
  (Bin ich's auch gar nicht wert) Dir nachzufolgen."

Diese Unterwürfigkeit Helenas bringt Demetrius in Rage. Er droht ihr mit Rufschädigung durch die Gefahr einer Vergewaltigung; doch sie beruft sich auf seine Ehre und seine Tugend. Demetrius droht, sie den wilden Tieren zu überlassen. Doch Helena sagt: Das wildeste Tier hat mehr Herz als Du. Demetrius geht und sagt Helena, sie soll nicht folgen. Helena antwortet:

  "Dein Tun ist Unrecht gegen mein Geschlecht!
  Um Liebe kämpfen Männer - Mädchen, nein:
  Uns muss man frein, wir solln nicht selber frein."

Demetrius geht und Helena folgt ihm. Oberon verspricht für sich, dass Demetrius sich in sie verlieben, also ihr folgen wird, bevor er diesen Wald verlässt.

Durch das Patriarchat werden Frauen von ihrer Sexualität getrennt und damit zum Objekt des Freiens. Denn ihr Wille in Bezug auf Sexualität ist gebrochen. Sie können sich nicht selbst ihren Liebsten suchen und für sich gewinnen. Das wäre unehrenhaft. Frauen sind in der Rolle der bloß Gefreiten. Sie selber sollen und können nicht klar von sich aus etwas tun, um ihrer Liebe Geltung zu verschaffen. Dazu sind sie auf die Männer angewiesen, die um sie werben. Das kann einerseits zum Verlust der Selbstachtung und zur Preisgabe jedes Selbstwertgefühls führen, andererseits dazu, dass Männer in Frauen kein Gegenüber haben, deren Liebe sie erstreben können. Denn um den Willen der Frauen geht es nicht. So können sie sich selbst jedoch der Liebe niemals sicher sein. Die Trennung der Frauen von der eigenen Sexualität durch das Patriarchat ist so zu verstehen, dass die Sexualität der Frauen ein Mittel in der Hand des Vater und dann des Ehemannes ist, über das sie verfügen. Die Sexualität bleibt nicht den Frauen, sondern sie stellt den Willen der Männer an ihnen dar: Die Männer verfügen über die Sexualität "ihrer" Frauen nach ihrem Willen, stellen also ihren Willen an anderen Menschen, den Frauen, dar. Die Auswirkungen dieser Trennung sind, weil es sich bei der Sexualität um die natürliche Seite der Gattungskraft der Menschheit handelt, nicht zu unterschätzen. Sexualität ist eine Form, in der sich die Menschheit in den Individuen darstellt. Ihre Kraft für sich nutzen zu können, ist deswegen eine Bedingung für die Darstellung der menschlichen Fähigkeiten eines Individuums in der Wirklichkeit. Diese Kraft der Menschheit soll von den Frauen im Patriarchat nicht für sich selbst eingesetzt werden können. Denn über diese Kraft verfügen Männer, Väter und Ehemänner. Es bleibt die Kraft von Frauen, die aber Männer für sich und ihre Zwecke in Betrieb nehmen können. [6]

b) Oberon verzaubert Titania

Puck kommt mit der Blume. Oberon wendet sich wieder seinem Plan zu und beschließt, Titania im Schlaf mit dem Saft der Blume zu verzaubern. Er beauftragt Puck, Demetrius mit dem Liebessaft für Helena zu gewinnen. Oberon beschreibt Demetrius aber nur als athenisch gekleidet. Puck und Oberon machen sich an ihr Geschäft.

Titania lässt sich von ihren Elfen in den Schlaf singen. Die Elfen gehen dann den Geschäften nach, die Titania ihnen aufgetragen hat. So hat Oberon die Gelegenheit, sich der schlafenden Titania zu nähern und sie durch den Liebessaft zu verzaubern. Sie soll dem ersten Wesen, das sie nach dem Aufwachen sieht, in Liebe verfallen, und dieses erste Wesen soll ein Scheusal sein. Oberon zählt einige Tiere auf, die das Entwürdigende einer solchen Liebe unterstreichen sollen. Auch Oberon verschafft sich - wenn auch mit magischen Mitteln - die Kontrolle über die Sexualität von Titania, um sie zu demütigen. Er verfolgt damit das Ziel, seinen Willen in einer ganz anderen Frage durchzusetzen und den Willen Titanias zu brechen. Zwischen Oberon und Titania wird also das Patriarchat nicht vorausgesetzt. Die elfischen Geschlechter sind als Naturmächte eigentlich gleichberechtigt. Oberon kann deswegen nicht direkt über die Sexualität von Titania verfügen, sondern bedarf der magischen Mittel. Aber zugleich zeigt sich darin, dass er die Kraft der Liebe beherrschen und kontrollieren kann, was Titania nicht gelingt. Sie soll der unendlichen Macht der Liebe unterworfen werden. Oberon dagegen kontrolliert diese Macht und setzt sie bewusst zur Durchsetzung seines Willens ein. Das Patriarchat führt dazu, dass die unendliche Macht der Liebe dem Willen der Wesen, die ihr unterworfen sind, selbst unterworfen wird.

Es geht also um den Beginn der Verkehrung einer Unterordnung, einer Subsumtion, unter die Liebe. Die Individuen sind natürlich, insofern die Geschlechter an sie verteilt sind, dem Gegensatz der Geschlechter, und damit der Liebe subsumiert. Die Gattung und die Notwendigkeit der Fortpflanzung hat die Individuen durch die unendliche Macht der Liebe im Griff. Indem Oberon mit dem Liebessaft in der Lage ist, diese Unterordnung unter die Liebe für die Durchsetzung seines Willens zu nutzen, verfügt er über die Subsumtion von Titania unter die Liebe. Er subsumiert sich Titania mittels ihrer Subsumtion unter die Liebe.[7] Freilich wird so die Subsumtion unter die Liebe nicht aufgehoben, sondern dem Willen eines anderen Individuums, des Oberon, subsumiert. Dennoch ist nun die unendliche Macht der Liebe unter die Individualität wenigstens eines anderen individuellen Wesens, nämlich Oberons, subsumiert. Die Herrschaft der Männer über die Frauen bricht die Unterordnung unter die unendliche Macht der Liebe wenigstens bei einigen Individuen. Allerdings wird auf diese Weise zugleich die Triebbeherrschung und Selbstbeherrschung der eigenen Sexualität verunmöglicht; denn wer über Andere herrscht, kann sich nicht selbst beherrschen. So entsteht das Patriarchat als eine Subsumtion des Geschlechtergegensatzes unter ein herrschendes Individuum, das mittels der Unterordnung eines anderen Individuums unter die Liebe seine Zwecke durchsetzt. Zugleich muss das Patriarchat aufgehoben werden, damit die Selbstbeherrschung und die Aneignung der eigenen Sexualität für Männer und Frauen möglich wird. Das Ziel dieser - das Patriarchat hervorbringenden und wieder überwindenden - Bewegung soll sein, dass sich die - sich als Gattungswesen begreifenden - Individuen ihre eigene Sexualität aneignen und subsumieren können. Dieses Ziel erscheint im Theaterstück als Einklang von Vernunft und Liebe, deren Fehlen Helena beklagt und Zettel Titania gegenüber feststellt. Das aber setzt als ersten Schritt das Brechen der Subsumtion der Individuen unter den Geschlechtergegensatz voraus. Das ist - wenn man so will - die historische Funktion des Patriarchats, die hier in Gestalt des Liebessafts als ein magisches Mittel auftritt. In der elfischen Welt wird also das Patriarchat nicht vorausgesetzt, sondern seine Entstehung dargestellt und in gewissem Sinne motiviert.

c) Lysander und Hermia im Wald

Lysander und Hermia tauchen auf. Sie haben sich verlaufen. Lysander schlägt vor, erst einmal zu schlafen, und am nächsten Morgen den richtigen Weg zu suchen. Hermia stimmt zu und bestimmt für sich eine Bettstatt im Moos. Lysander möchte sich zu ihr legen. Denn er hat sie ja für sich erworben. Er sagt:

  "Ich mein, mein Herz ist so verwebt in Deines:
  Wir machen ganz von selbst daraus nur eines.
  Zwei Busen kettet aneinand' ein Schwur,
  Daher in beiden eine Treue nur."

Doch Hermia beharrt darauf, dass Lysander Grenzen respektiert und bittet ihn, sich in geziemendem Abstand zum Schlafen zu legen. Das tut Lysander. Beide schlafen ein. Puck kommt nach längerer Suche, und findet die beiden. Er sieht den Mann in athenischen Gewändern. In einigem Abstand sieht er Hermia und bedauert sie, die offenbar von Lysander zurückgewiesen worden ist. Er träufelt Lysander den Saft auf die Augen, um ihn zu lehren, die Liebe einer Frau zu erwidern. Er eilt zu Oberon. d) Lysander und Helena im Wald

Helena verliert Demetrius im Wald. Sie beschimpft sich selbst und preist Hermia ihrer Schönheit wegen. Alle fliehen mich, denkt Helena, sogar die wilden Tiere. Da sieht sie Lysander und weckt ihn auf. Lysander erblickt Helena und ist des Liebessaftes wegen sofort verliebt in sie. Der Liebessaft ist nicht unbedingt nötig, um die Liebe des Lysander zu motivieren. Es würde auch reichen, dass er auf die Zurückweisung von Hermia so reagiert, dass er die Liebste wechselt. Denn Lysander erklärt Helena seine Liebe zu ihr und seine inzwischen eingetretene Verachtung von Hermia damit, dass er zur Vernunft gekommen sei.

  "Vernunft ists, die des Mannes Willen führt. -
  Vernunft sagt, dass der Vorrang Dir gebührt!
  Alles, was wächst, reift erst zu seiner Zeit,
  Ich bin noch jung und war noch nicht bereit
  Zu klarer Einsicht; nun da ich es bin,
  Wird die Vernunft des Willens Führerin ..."

Lysander stellt sich so den vergnügten Zuschauerinnen und Zuschauern als triebgesteuerter Mann dar, der sich diese seine Lage nicht bewusst macht, sondern im Gegenteil behauptet, was ihm der Trieb eingibt, sei Ausdruck der gewachsenen Vernunft. Er täuscht sich darin über sich selbst. Lysander wird mit der Zurückweisung durch Hermia nicht fertig und wendet sich an die nächste, an Helena. Was in Wahrheit ein "Außer sich Geraten" des Lysander ist, erscheint ihm im Gegenteil als ein "Zu sich Kommen". Die unendliche Macht der Liebe und die Subsumtion unter das Geschlechterverhältnis vernebeln Lysander die Wahrnehmung und das Verstehen seiner selbst. Er ist nicht zur Vernunft gekommen, sondern behauptet das aus Unvernunft, die sich ihm aber - triebgesteuert, wie er ist - als ihr Gegenteil darstellt.

Helena kann an die Liebe des Lysander - in gewisser Weise mit Recht - nicht glauben und fühlt sich verspottet. Die Zerstörung ihres Selbstbewusstsein ist soweit gediehen, dass sie die Liebe des Lysander nicht annehmen kann. Sie weist Lysander empört zurück und glaubt an ein Possenspiel. Wütend geht sie. Lysander drückt der schlafenden Hermia gegenüber seinen nunmehr vorwiegenden Ekel aus und folgt Helena. Hermia erwacht von einem Alptraum, in dem sie ein Opfer einer Schlange ist, während im Traum Lysander lächelnd zusieht. Sie wendet sich, um sich zu beruhigen, an Lysander. Doch der ist weg. Nun ist Hermia ganz alleine. Sie hat ihre Familie und ihre Heimat Athen verlassen und sich dabei auf Lysander gestützt. Nun aber hat Lysander sie sitzen lassen, allen Treuschwüren zum Trotz:

  "Himmel, wo bist Du? Hör mich, Liebster, sprich!
  Sprich, Liebster, diese Angst, es schwindelt mich."

Hermia geht Lysander suchen.

e) Zettel und Titania

Die Handwerker treffen sich im Wald. Zettel hat einige Kritik am Stück, das in Passagen Missfallen erregen mag. Ein Schwert mag die Damen entsetzen, doch ein Prolog kann sie beruhigen. Auch der Löwe könnte für Unruhe sorgen. Doch Zettel schlägt vor, dass sich der Löwe als Schnock, der Schreiner, vorstellt und nicht vollständig verkleidet. Squenz stimmt zu. Die Frauen haben - so befürchten die Handwerker - Angst. Diese Angst könnte - weil diese Damen mit dem mächtigen Theseus verbunden sind - den Schauspielern den Kopf kosten. Doch wie den Mond simulieren: Squenz will, dass der Mond durch einen Schauspieler dargestellt wird. Dann wirft er die Frage nach der Wand auf, die im Stück Pyramis und Thisbe trennt. Auch die Wand muss von jemandem gespielt werden, der zwei Finger spreizt, die das Loch vorstellen sollen, durch das Pyramis und Thisbe miteinander sprechen. Sie beginnen zu proben. Puck kommt dazu und sieht sich die Probe an. Er zaubert und setzt so dem Zettel während seiner Probenpause einen Eselskopf auf. Als Zettel wieder auftritt, laufen die anderen Schauspieler vor Grauen weg. Zettel glaubt an einen Streich, den ihm die anderen spielen wollen, um ihn zum Esel zu machen. Der Esel denkt, andere wollten ihn zum Esel machen. Er beschließt zu bleiben und sich Mut zuzusingen.

Von seinem Gesang erwacht Titania und ist - durch den Liebessaft - sofort verliebt in den als Esel verzauberten Zettel. Hier bedarf es des Liebessafts tatsächlich. Sie spricht ihn an. Hier ist Titania - im Gegensatz zur Menschenwelt - selbst aktiv und verschafft ihrer Liebe Geltung. Sie spricht auch von der Schönheit des Eselskopfs und sagt direkt zu ihm: "Ich lieb Dich". Zettel ist verwundert:

  "Mich dünkt, Madam, Sie könnten dazu nicht allzu viel Ursache haben. 
  Und doch, die Wahrheit zu sagen, 
  Vernunft und Liebe haben nicht viel gemein gegeneinander heutzutage. 
  Desto trauriger, dass nicht etliche Nachbarn sie zu Freunden machen wollen.
  Nicht wahr, ich kann auch satirisch sein, wenn sich's schickt."

Zettel spricht den Gegensatz von Liebe und Vernunft aus. Die Liebe ist nicht die Liebe der vernünftigen Menschen. Die Liebe ist eine scheinbar selbständige Macht, welche die Liebenden unterjocht. Sie ist nicht wie bei vernünftigen Menschen eine den Menschen zu Gebote stehende Möglichkeit, sich auf andere Menschen zu beziehen, oder zumindest nicht in erster Linie. Diese selbständige Macht ist - da hat Zettel recht - auch in dieser Szene in Titania präsent, die ein Opfer des Liebessaftes geworden ist. Dennoch hat Titania - wenn sie auch außer sich ist - das Heft des Handelns im Verhältnis zu Zettel in der Hand, im Unterschied zu Helena und Hermia. Titania ist eben die unsterbliche Personifikation einer Naturmacht.

Titania setzt Zettel im Walde fest und gibt ihm ihre Elfen als Diener. In einer sehr schönen und erhabenen Sprache redet sie von der süßen Stimme und der Weisheit des Eselskopfs. Der weiß sich nur unbeholfen auszudrücken und redet die ihm von Titania zugewiesenen Diener mit "Euer Gnaden" an. Titania lässt Zettel in ihr Gemach bringen. Die unendliche Macht der Liebe verknüpft die höchste Königin des elfischen Naturreiches mit einem Menschen, der "Unten" heißt und eitel ist. Die Liebe hat allumfassende und alles verbindende Macht und Kraft. Sie bleibt jedoch nur ein Mittel in der Hand des Oberon, der so Titania demütigt. Die Liebe wird im Patriarchat zum Mittel, sei es in der gesellschaftlichen Welt, in der Egeus die Tochter mit Demetrius verbinden will und seinen Willen gegen seine Tochter mit der Todesdrohung durchsetzen will, sei es im Reich der Elfen und Naturmächte, in dem Oberon die allgewaltige und alles verbindende Liebe als ein Mittel einsetzt, um die Liebende zu demütigen. Die Macht der Liebe bleibt, aber sie verliert im Patriarchat den Charakter des Selbstzwecks, sie wird zum bloßen Mittel. Das widerspricht sich, und dieser Widerspruch ist in dem Bild des Liebessaftes festgehalten.

f) Demetrius und Hermia im Wald

Oberon ist neugierig, ob Titania wohl schon erwacht ist und in wen sie sich verliebt hat. Da kommt Puck und erzählt ihm von seiner Verwandlung Zettels in einen Esel, in den sich dann Titania verliebt hat. Oberon ist entzückt: Sein Plan geht auf. Er erkundigt sich nach dem Athener. Puck meldet auch hier Vollzug. Da treten Hermia und Demetrius auf. Puck erkennt und gesteht Oberon seinen Irrtum. Einem anderen Athener hat er den Liebessaft in die Augen geträufelt.

Demetrius versichert Hermia seine Liebe. Hermia verdächtigt Demetrius, Lysander erschlagen zu haben. Sie kann nicht glauben, dass Lysander sie verlassen hat. Doch Demetrius leugnet das. Lysander lebe noch. Hermia schimpft und beleidigt Demetrius und geht Lysander suchen. Demetrius sieht ein, dass es sinnlos ist, Hermia zu folgen, und beschließt sich schlafen zu legen.

Oberon ist entsetzt. An die Stelle treuer Liebe hat Puck den Treuebruch gesetzt. (Dass Puck dabei dasselbe tat, was Oberon mit Titania machte, übergeht Oberon.) Er geht daran, den Missgriff zu korrigieren. Er schickt Puck aus, Helena zu suchen, während er Demetrius den Liebessaft auf die Augen streut. Er tut es mit den Worten, dass er seine Liebste in Helena erkennen soll. Puck kommt zurück und meldet die Ankunft Helenas mit Lysander, der durch den Liebessaft nun Helena liebt. Puck schlägt vor, sich das Narrenspiel anzusehen, zumal Demetrius sogleich aufwachen wird.

g) Die beide verwirrten Paare im Wald

Lysander bestürmt Helena, ihm seine Liebe zu glauben. Doch Helena erinnert ihn an seinen Schwur für Hermia, und glaubt weiter an einen Spott. Überdies, wenn es wahr wäre, erwiese sich der Schwur des Lysander als zu leicht für Mädchen, da er sich gegen einen anderen Schwur desselben Mannes richtet. Von Lysanders Werben und Helenas Sprödigkeit erwacht Demetrius und sieht Helena. Durch den Liebessaft verzaubert, gesteht er ihr seine Liebe. Doch Helena kann es nicht fassen und glaubt jetzt an eine Verschwörung der beiden zum Spott über sie. Sie sagt:

  "O Schmach! O Höll'! Ich seh, Ihr alle seid
  Eins gegen mich zu Eurer Lustbarkeit.
  Hättet Ihr Lebensart und Sittsamkeit,
  Ihr tätet mir so etwas nicht zu Leid!
  Ich weiß, Ihr hasst mich; doch könnt ihr nicht hassen,
  Ohne noch Spott so an mir auszulassen?"

Wahre Männer würden so etwas nicht tun. Lysander will Hermia an Demetrius abtreten, um Helena zu kriegen. Aber Demetrius schlägt Hermia nun aus und möchte zu Helena zurückkehren. In der Komödie wird dies auf die Wirkung des Liebessafts zurückgeführt. Es ist aber auch anders verständlich. Demetrius will nun, was Lysander will. Er folgt in seinem Willen dem Lysander. Denn da Frauen im Patriarchat als mögliches Eigentum des Mannes erscheinen, werden sie zu einem Feld, in dem sich die Konkurrenz der Männer gegeneinander darstellen kann. So erscheinen hier die Frauen als mit einem Marktwert ihres Begehrt-Werdens behaftet, Hermia und Helena als Gegenstand eines Schachers zwischen Lysander und Demetrius.

Hermia erscheint und fragt, warum Lysander sie verlassen hat. Lysander antwortet, weil er Hermia nun hasst und Helena liebt. Hermia kann das nicht fassen. Helena glaubt, dass auch Hermia in die Verschwörung zu ihrer Verspottung eingeweiht ist. Helena wendet sich an ihre beste Freundin, mit der sie ein Herz und eine Seele war, und bittet sie, sich nicht mit den Männern zu ihrem Spott zu verbünden. Doch Hermia weiß nicht, wovon die Rede ist, und fühlt sich ihrerseits von Helena verletzt. Da macht Helena Hermia zur eigentlichen Täterin. Sie wirft Hermia vor, Lysander und Demetrius, deren Liebe zu ihr sie genutzt habe, angestiftet zu haben, Helena mit diesem Spott zu verletzen. Helena glaubt lieber an eine Verschwörung aller gegen sie, als dass sie die ihr entgegengebrachte Liebe annehmen kann. Hinter ihrem Rücken, so stellt sich Helena vor, feixen die drei anderen über das Leid, das sie ihr antun. Alle Drei freuen sich, wie sehr sie Helena weh tun. Helena will daher gehen.

Doch Lysander und Demetrius bitten Helena zu bleiben. Sie geraten nun selbst in einen Streit um Helena, den sie durch ein Duell entscheiden wollen. Doch Hermia hält Lysander fest. Lysander will sie abschütteln und beleidigt Hermia, indem er wiederholt auf ihren dunklen Teint anspielt. Er fordert Hermia in rohen Worten auf, ihn loszulassen und abzuhauen. Er will mit ihr nichts mehr zu schaffen haben. Jetzt versteht Hermia, dass Lysander mit ihr nicht mehr verbunden sein will. Aber sie wendet sich an Helena und beschimpft sie als Liebesdiebin, die Hermia das Herz des Lysander gestohlen habe. Hermia hält ihre Liebe zu Lysander aufrecht, indem sie Helena die Schuld daran gibt, dass Lysander sie verlassen hat. Helena schimpft zurück, und spielt dabei auf die Kleinwüchsigkeit der Hermia an, die offenbar eine - Helena bekannte und Hermia belastende - Schwäche von Hermias Körper ist. Denn Hermia reagiert in rasender Wut. Sie will auf Helena losgehen und ihr die Augen auskratzen, wird jedoch von Lysander zurückgehalten. Helena glaubt auch jetzt noch an einen Spott, bittet aber bei den Männern um Schutz vor der Furie Hermia. Helena entschuldigt sich für den Verrat des Geheimnisses der gemeinsamen Flucht, und will wieder gehen, was Hermia begrüßt. Doch Demetrius Herz möchte sie nicht verlassen. Lysander und Demetrius bieten sich zum Schutz der - von ihnen geliebten - Helena an. Doch Helena sagt: Unterschätzt sie nicht, trotz ihrer Kleinheit. Nun fühlt Hermia sich verhöhnt und wendet sich ihrerseits an die Ehre der Männer. Könnt Ihr zulassen, dass sie mich so verhöhnt. Doch Lysander, der wahrgenommen hat, wie sehr die Bemerkung ihrer Kleinheit Hermia verletzt, haut mit voller Wucht in diese Kerbe:

  "Pack Dich, du Zwergin!
  Du Knirps aus Natternwurz, die Wachstum hemmt!
  Du Ecker, du; du Knopf."

Demetrius findet den Eifer des Lysander übertrieben und fordert ihn nun ernsthaft zum Duell. Lysander nimmt die Forderung an. Sie gehen, um ihr Duell auszufechten. Helena flieht, wobei sie wieder auf ihre längeren Beine anspielt. Hermia gibt Helena die Schuld an dem Spektakel und folgt ihr langsam und kraftlos, indem sie feststellt:

  "Ich weiß nicht, wie heut jeder zu mir spricht."

h) Die vollständige Verwirrung

Die Paare sind abgegangen und heillos zerstritten. Die Liebe vereinigt nicht nur, sondern, indem sie vereint, entzweit sie auch. Sie hat die Vier in ihrer Macht. Hermia ist nun im Wald verlassen. Sie ist aus Liebe zu Lysander vor ihrer Familie und von ihrer Heimat geflohen. Doch sein Treueschwur hielt nicht einmal für eine Nacht. Helena ist zwar nun von Lysander und Demetrius geliebt, kann diese Liebe aber nicht annehmen. Beide machen einander für die entstandene Lage verantwortlich. Sie, die einander die beste Freundin waren, sind voneinander enttäuscht. Hermia würde Helena am liebsten die Augen auskratzen, Helena quält Hermia mit der fortlaufenden Feststellung ihrer Kleinheit. Die Männer - darin macht sich eine merkwürdige Verkehrung sichtbar - scheinen unschuldig daran, dass sich die Lage so zugespitzt hat; beide Frauen machen jeweils die andere verantwortlich, und halten so ihre Liebe zu jeweils ihrem geliebten Mann aufrecht. Im Letzten haben es diese Frauen - wie es scheint - nicht mit Männern zu tun, die sich unerfreulich verhalten und für dieses ihr Verhalten verantwortlich sind. Sie haben es mit einer Konkurrentin, mit einer "Liebesdiebin" zu tun. Die Frauen stehen so in Konkurrenz zueinander, haben diese Konkurrenz aber nicht selbst in der Hand. Sie sind vielmehr bloß Gegenstand männlichen Schachers und männlicher Konkurrenz, insofern sie auf ihren Objektcharakter reduziert sind, also selbst nicht freien können. Das Mittel, mit dem sie ihre Konkurrenz austragen können, ist nur passiv: es ist die Schönheit, die weibliche Attraktivität. Nicht ihr Verhalten entscheidet für oder gegen sie, sondern ihr Aussehen. So ist es wichtig, den richtigen - das heißt, den weißen - Teint zu haben und über die richtige Größe zu verfügen. Bei aller Selbstbehauptung von Hermia kann sie es nicht ertragen, auf diese ihre angeblichen Schönheitsfehler wiederholt hingewiesen zu werden. Umgekehrt macht Helena immer wieder auf die Schönheit Hermias aufmerksam. Die Schönheit als das wesentliche Mittel, den geliebten Mann für sich zu interessieren, ist Ausdruck der Objektrolle, in die Frauen durch das Patriarchat gedrängt sind.[8]

Ebenso zerstritten sind Lysander und Demetrius. Lysander hat sich in Helena verliebt, sei es wegen des Liebessaftes, sei es wegen der Zurückweisung seiner sexuellen Bedürfnisse durch Hermia. Aber kaum gesteht er Helena seine Liebe, da verliebt sich auch Demetrius in Helena und kommt Lysander erneut in die Quere. Beide wollen sich duellieren. Für Lysander kommt es nicht in Frage, Helena entscheiden zu lassen, eine Entscheidung, die mit Sicherheit für Demetrius ausgehen würde. Nun ist es also Lysander, der den Willen der von ihm geliebten Frau nicht gelten lassen will. Das Duell muss entscheiden. Dabei hat Lysander einen doppelten Kampf, weil er sich zugleich mit Hermia auseinandersetzen muss, die ihn noch immer liebt. Er vermag ihr nur mit groben Verletzungen deutlich zu machen, dass er nichts mehr von ihr wissen will.

Beide Frauen, Hermia und Helena, wissen, wen sie wollen. Ihre Gefühle sind ihnen klar und eindeutig. Sie schwanken in dieser Frage nicht einen Moment. Sie sind sich ihrer Gefühle sicher. Ganz anders die Männer, die dies nicht zu wissen scheinen. Sie haben - wie es scheint - keinen Zugang zu ihren Gefühlen, die sich sehr schnell verändern und offenbar nach ihnen selbst ganz unbekannten Regeln funktionieren. Die Frauen scheinen in den Augen der Männer in der Begehrlichkeit zu steigen und zu fallen, ohne dass ihnen klar ist, warum. Demetrius will die Frau haben, die Lysander haben will. Demetrius scheint die Konkurrenz zu Lysander zu suchen. Lysander dagegen scheint diejenige Frau haben zu wollen, die sein Trieb verlangt und von der er sich vorstellt, dass eine Triebbefriedigung mit ihr möglich sei.

Demetrius möchte also - so scheint es - eine Frau, die er erobern kann im Kampf gegen einen männlichen Konkurrenten, die also selbst keinen eigenen Willen behauptet. Hermia will er als Gabe des Vaters gegen ihren Willen zur Ehefrau nehmen; Helena will er erst, als Lysander sie auch will. An einem eigenen Willen "seiner" Frau scheint Demetrius kein Interesse zu haben. Andererseits ist Helena diejenige Frau, die auf die Durchsetzung ihres Willens zugunsten des von ihr geliebten Mannes verzichten will. Sie ist also eine solche Frau, wie Demetrius sie sich offenbar als erstrebenswert vorstellt. Aber indem die Vorstellung in Helena Wirklichkeit wird, zeigt sich, dass Demetrius in Wirklichkeit mit einer solchen Frau nichts anfangen kann. Die Selbstmissachtung von Helena geht ihm vielmehr auf die Nerven. Er hat also ein sich in sich widersprechendes Frauenbild, das ihm die von ihm angeblich erstrebte Frau als in Wirklichkeit für ihn uninteressant erscheinen lässt.

Umgekehrt will Lysander eine Frau, die sich auseinandersetzt, die sich wehrt und behaupten will, die ein sexuelles Selbstbestimmungsrecht für sich fordert. Er kann jedoch in keiner Weise damit umgehen, wenn diese Selbstbehauptung ihn selbst und seine eigene Triebbefriedigung betrifft. Auch er wird also mit seinem sich selbst widersprechenden Frauenbild konfrontiert. Denn die Frau, die er haben zu wollen glaubt, erweist sich in Wirklichkeit als für ihn nicht akzeptabel. Angesichts dieser Erfahrung wendet sich Lysander einer anderen, der Helena zu. Die Differenz zwischen den vorgestellten Frauen und den wirklichen Frauen führt bei den hier gezeigten Männern nicht dazu, an diesem Widerspruch zu arbeiten, ihre eigenen Vorstellungen, wie "ihre" Frauen sein sollten, zu verändern und anhand der Erfahrungen zu korrigieren, sondern dazu, sich einer anderen Frau zuzuwenden. Während also Helena und Hermia wissen, wen sie lieben und haben wollen, sind sich Demetrius und Lysander darüber, wie es scheint, völlig im Unklaren.

Indem Hermia gegen die Trennung der Frauen von ihrer Sexualität aufbegehrt und das sexuelle Selbstbestimmungsrecht fordert, übernimmt sie zugleich Verantwortung für ihre Sexualität; Lysander dagegen nicht. Er fordert von Hermia Liebe. Als sie die nicht gewähren will, denkt er weder über sich noch über Hermia noch über ihre Beziehung nach, sondern wendet sich von Hermia ab, um anderswo seine Triebbefriedigung zu finden. Demetrius umgekehrt sieht sich von Helena verfolgt, die sich ihm schenken will. Helena verzichtet auf ihre sexuelle Selbstbestimmung zugunsten von Demetrius. Als Demetrius andeutet, dass er ihr Gewalt antun könnte, sagt sie: Ich verlasse mich auf Deine Tugend. Das scheint sie auch zu können, denn Demetrius macht nicht den leisesten Versuch, sich ihr zu nähern. Er ist so tugendhaft, dass sich Helena in seiner Gegenwart absolut sicher, wenn auch schmerzlich verletzt fühlt. Demetrius übernimmt so die gesamte Verantwortung für die Sexualität in einer Beziehung. Er schneidet sich - so scheint es - die eigenen sexuellen Bedürfnisse ab, während Lysander umgekehrt für seine sexuellen Bedürfnisse keine Verantwortung übernehmen will, sondern ausschließlich nach ihrer unmittelbaren Befriedigung strebt. So verteilt sich in den Paaren die unbeherrschte Sexualität auf den einen, die Beherrschung der Sexualität auf den anderen Partner in der Beziehung. So aber ist ein vernünftiger Umgang und eine Aneignung der eigenen Sexualität unmöglich. Die Trennung der Frauen von ihrer Sexualität führt auch bei diesen beiden Männern zu einem mindestens einseitigen Verhältnis zu ihrer Sexualität und zu unlösbaren Konflikten in der Partnerschaft. Die Liebe ist nicht mit der Vernunft im Bunde, wie schon Helena in ihrem Eröffnungsdialog feststellt, und wie Zettel gegenüber Titania betont. Die Aneignung der eigenen Sexualität wird durch das Patriarchat zumindest sehr erschwert, wenn nicht gar verhindert.

Die Auflösung

Oberon ist entsetzt. Er macht Puck Vorwürfe, aber der fand die Szene ganz lustig. Oberon erteilt ihm den Auftrag, die beiden Streithähne voneinander fernzuhalten und Lysander mit dem erlösenden Gegensaft zu seiner alten Liebe zu Hermia zurückzuführen. Oberon selbst will Titania vom Zauber erlösen, wenn er die Zusage erhalten hat, dass er den Knaben als Pagen erhält. Die Zeit drängt, denn der Morgen graut. Puck erwähnt, dass in der Nacht die Geister der Vergangenheit ihr Unwesen treiben. Die Nacht ist der Zeitraum der Erinnerung, in der die Vergangenheit in gespenstischer Weise als Gegenwart erscheint. Die Nacht als Zeit der Erinnerung charakterisiert die Welt des Waldes ein zweites Mal. Dem Ort nach war die Welt des Waldes die verrückte Welt, die Welt der Verrücktheit. Der Zeit nach ist der Wald die Welt der Erinnerung, in der den vergangenen Mächten eine gespenstische Wiederkehr zuteil wird. Doch Oberon sagt: Wir Elfen sind Geister anderer Art, wir können auch im Morgen noch agieren. Denn Oberon und Titania sind die unterirdischen Mächte der Natur. Auch sie scheuen den Tag, können aber im Morgengrauen noch handeln. Die Nacht ist das unterirdische Reich der Natur und das gespenstische Reich der Vergangenheit und der Erinnerung. So erscheinen die Ereignisse der Nacht irrational und wie ein Traum, auch wenn darin zum Ausdruck kommt, dass solche verdrängte Vergangenheit die Gegenwart bestimmt, wie sich noch zeigen wird.

Puck entzweit die Streithähne und führt sie in die Irre, bis beide schlafen wollen und beschließen, den Kampf am Tage auszufechten. Auch Helena, des Fliehens müde, beschließt sich zum Schlafe niederzulegen. Immer noch glaubt sie an einen Spott. Schließlich trifft auch die niedergeschlagene Hermia ein. Sie liebt nach wie vor Lysander. Auch sie legt sich schlafen. Puck beträufelt die Augen des Lysander mit dem Gegensaft und singt ein Lied, in dem er jedem seine Liebe verheißt.

Titania liebkost den als Esel verzauberten Zettel. Zettel hat sich an das Befehlen gewöhnt. Er benimmt sich dennoch wie ein Esel. Er will am Kopf gekratzt werden und Hafer und Heu essen statt Nüsse und Obst. Titania umarmt ihren Liebsten. Beide schlafen ein. Oberon und Puck sehen sich die beiden an. Oberon erfasst Mitleid mit seiner Königin. Er erzählt Puck, dass er Titania den Knaben abnehmen konnte. Nun will Oberon Titania von der Schande erlösen. Puck soll seinerseits den Esel wieder in Zettel zurückverwandeln. Alle Athener sollen zurückkehren nach Athen, und die ganze Geschichte für einen Traum halten. Oberon löst den Zauber und weckt Titania. Sie erzählt von einem Traum, dass sie in einen Esel verliebt gewesen sei. Oberon weist sie auf den - neben ihr liegenden - Esel hin. Titania erschrickt. Ihr graut vor ihm. Puck erlöst Zettel von dem Eselskopf. Oberon und Titania versöhnen sich bei Musik und beschließen, morgen die Ehe von Theseus und Hippolyta gemeinsam zu segnen. Angesichts des hereinbrechenden Morgens beschließen beide zu gehen. Titania aber möchte wissen, wie es kommt, dass sie den Sterblichen mit einem Eselskopf geliebt hat.

Der Liebessaft hat seine Kraft verloren. Wirklich notwendig war er nur im Falle von Titania. Die anderen von ihm ausgelösten Verwirrungen ließen sich auch so verstehen. Der Liebessaft ist eine Macht in den Händen des Oberon, aber er symbolisiert zugleich die unendliche Macht und Kraft der Liebe, die alles Widerstrebende zu vereinen, aber auch alles Vereinte zu entzweien vermag. (Denn Vereinen und Entzweien sind zwei Seiten derselben Sache.) Der Zauber ist auch notwendig, um den Gegenzauber zu ermöglichen, der die Paare wieder so zusammenbringt, dass harmonische Liebe entsteht. Das erfordert in der gegebenen Situation tatsächlich Zauber, magische Kräfte. Den Preis der Harmonie zeigt der fünfte Akt. Zunächst sind alle erlöst bis auf Demetrius, der aber durch den Zauber zu seiner wahren Liebe zurückgekommen ist.

Mit dem hereinbrechenden Morgen taucht Theseus mit der Hofgesellschaft im Wald auf, um zu jagen. Mit dabei ist auch Helenas Vater Egeus. Theseus und Hippolyta wollen das Hundegebell spartanischer Jagdhunde als höhere Harmonie genießen.[9] Sie treffen auf die schlafenden Paare, die Egeus sofort erkennt. Theseus vermutet, dass sie sich der Jagd anschließen wollten, und - weil sie so früh aufgestanden sind - beim Warten eingeschlafen sind. Er befiehlt, sie mit Hörnerschall zu wecken. Wie kommt es, fragt Theseus, dass ihr beiden Nebenbuhler hier so friedlich nebeneinander liegt? Lysander, indem er langsam zu sich kommt, erzählt vom Plan der Flucht. Egeus ist empört und fordert nun den Kopf des Lysander. Er wendet sich um Unterstützung an Demetrius. Dich wie mich wollte er, Lysander, berauben, Dich um die Braut, mich um mein Jawort, dass ich Dir die Braut gegeben habe. Doch Demetrius liebt nunmehr - wie durch einen Zauber - Helena und kann sich nur durch Krankheit erklären, dass er sich vorübergehend in Hermia vergaffte. Theseus sieht, wie schön die Vier sich zu Paaren fanden, und lädt sie ein, mit ihm Hochzeit zu feiern. Der Wille des Egeus wird übergangen. Von nun an hat Egeus nichts mehr zu sagen. Sein Text ist beendet.[10] Mehr und mehr kommen die vier jungen Leute zu sich und folgen erfreut dem Theseus und seiner Gesellschaft nach Athen. Dabei sprechen sie über die merkwürdigen Träume und Erinnerungen an die Situation im Wald.

Auch Zettel erwacht und ist benommen. Er erinnert sich an sein nächstes Stichwort, das in der Theaterprobe seinen Auftritt in der Rolle des Pyramus zur Folge haben sollte. Doch die anderen Handwerker sind nicht da. Er ruft sie vergeblich. Langsam begreift er, dass er alleine ist und geschlafen hat. Da besinnt er sich auf einen wunderlichen Traum, den er gehabt hat. Ein seltsamer Traum, den er nicht in Worte zu fassen vermag, weil er menschliche Fassenskraft übersteigt. Ein Esel ist, wer einen solchen Traum "zerklären" will.

  "Des Menschen Auge hat nicht gehört, des Menschen Ohr hat nicht gesehen, 
  des Menschen Hand kann nicht schmecken, seine Zunge kann nicht begreifen,
  noch sein Herz berichten, was mein Traum war."

Zettel will Peter Squenz beauftragen ein Gedicht daraus zu machen, das dann "Zettels Traum" genannt werden soll, damit der Traum nicht verloren geht. Zettel will es zur Hochzeit des Theseus vortragen.

Die Handwerker in Athen sind verzweifelt. Ohne Zettel können sie ihr Stück nicht aufführen. Doch Zettel ist noch nicht wieder da. Schnock berichtet davon, dass Theseus mit anderen Paaren aus dem Tempel von der Hochzeit kommt. Flaut bedauert den finanziellen Verlust, den das Verschwinden Zettels für Zettel selbst und - das man darf doch wohl unterstellen - auch für die anderen bedeutet. Da erscheint Zettel. Er erwähnt seinen Traum. Die anderen Handwerker wollen von ihm hören, was er geträumt hat. Doch Zettel verlangt, dass man sich ganz auf das Theaterstück konzentriere. Alle sollen sich zur Aufführung bereit machen, keine Zwiebeln essen und anständig angezogen sein.

Das Theaterstück im Theater

a) Die Phantasie der Liebenden und der Dichter

Der fünfte Akt scheint irgendwie überflüssig, denn die Geschichte der Liebe ist doch offenbar zu Ende. Sie hat durch den Liebessaft und das Gegengift ein "happy end" gefunden. Ein weiterer Akt scheint gar nicht nötig zu sein. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der fünfte Akt zeigt die Wahrheit dieses "happy ends", nämlich die Normalität der Herrschaft sowohl in der Gesellschaft überhaupt, wie auch zwischen den Geschlechtern und in der Ehe. Und er zeigt dies in doppelter Weise: Einerseits in dem Theaterstück, das im Theaterstück aufgeführt wird, also im Stück von Pyramus und Thisbe. Andererseits zeigt er es in dem Verhalten der Figuren des "Sommernachtstraums" zueinander und zu dem von ihnen betrachteten Theaterstück.

Der fünfte Akt beginnt damit, dass Hippolyta beeindruckt ist von dem, was die zwei Paare von den Ereignissen im Wald erzählen. Sie spricht von "wahren Wundern". Doch Theseus hält alles nur für einen Traum. Damit ist das eigentliche Thema des fünften Akts aufgeworfen. Wahnsinnige, Verliebte und Poeten leiden nach Theseus an übertriebener Einbildungskraft. "Wunder mehr als wahr. Ich kann an diese uralten Geschichten Und diese Elfenmärchen nie recht glauben. Verliebte sind wie Narren hitzigen Geistes Und schwärmerischen Sinnes, der mehr schaut, Als je die kühlere Vernunft begreift. Mondsüchtige, Verliebte und Poeten Sind eitel Phantasie...."

Doch Hippolyta beharrt: "Doch alles, was sie von der Nacht erzählen, Und ihrer aller Sinn im selben Bann, Das zeugt von mehr als bloßen Hirngespinsten Und wird zu etwas, was bestehen bleibt."

Hippolyta hat - offenbar im Unterschied zu Theseus - Zugang zu der Welt des Waldes und versteht zwar nicht den Inhalt der Sache; wohl aber spürt sie, dass es sich um eine Sache handelt. Theseus hält das für Traum und Hirngespinst, mit dem man sich nicht beschäftigen sollte. Er verdrängt diese - verrückte und verkehrte - Welt des Waldes und der Elfen und hält die Vernunft der patriarchalen Ehe dagegen. Dabei beruft er sich darauf, dass Wahnsinnige, Liebende und Dichter von übermäßiger Phantasie getrieben sind. Die Dichter werden so in die Nähe der Liebe gerückt, werden zu Menschen, die als Dichter Zugang zu der Form der Verrücktheit haben, die die Liebenden plagt. So können die Dichter von der Liebe sprechen in einer Weise, die Theseus nicht möglich ist. Denn weil er die Geschichten bloß für Phantasieprodukte und Hirngespinste hält, bleibt ihm der wahre Inhalt des von den Paaren Erzählten verschlossen. Wie sich noch zeigen wird, gilt das auch für das Theater und die Dichtkunst.

b) Die Wahl des Theaterstücks

Da kommen die zwei jungen Paare verliebt und fröhlich hinzu. Aber die Paare haben sich merkwürdig verändert. Denn Hermia und Helena, die Frauen, sprechen nicht mehr. Sie sind zu stummen Rollen geworden. Mit der Ehe haben sie ihre Sprache im Stück verloren, eine Form, in der Shakespeare offenbar den Charakter der patriarchalen Ehe und ihre Normalität darstellen will. Schon Egeus hatte keinen Text mehr, als er nichts mehr zu sagen hatte. Nun ergeht es Hermia und Helena im Stand der Ehe genauso.

Theseus möchte sich die Zeit, bevor sich die drei Paare zur Hochzeitsnacht zurückziehen, mit einem Theaterstück zerstreuen. Dies ist die der Kunst und der Poesie verbliebene Funktion, da sie "eitel Phantasie" ist und bleibt. Der Kunst kommt keine Wahrheit zu, sie dient dem Zeitvertreib, oder wie Theseus sich ausdrückt, der Täuschung der trägen Zeit. Aus einer ausführlichen Liste von Angeboten wählt er gegen den Rat des Philostratos das folgende Stück aus:

  "Ein kurz langweilig Stück vom jungen Pyramo und seiner Liebsten Thisbi. 
   Tragische Komödie."

Theseus ist fasziniert von den Gegensätzen, die in diesem Titel anklingen. Philostratos merkt an, dass es sich um ein unmögliches Stück handelt, das überdies unmöglich aufgeführt wird. Denn die Handwerker sind offenbar mit dem Stück hoffnungslos überfordert. Nicht ein Wort stimmt in dem Text, nicht ein Spieler spielt vernünftig, und insofern ist es wirklich tragisch. Doch es ist auch über alle Maßen komisch. Philostrat hat Tränen gelacht, als er die Probeaufführung sah. Theseus besteht darauf, dieses Stück zu sehen. Denn was die Einfalt der Ergebenheit gegen den Herren hervorgebracht hat, verdient Nachsicht, spiegelt die eigene Herrschaft und ist deswegen für Theseus angenehm.

  "Denn nie kann etwas ganz und gar verfehlt sein,
  Was Einfalt und ein treuer Sinn uns bringt."

Hippolyta wendet ein:

  "Er aber sagt doch, dass sie gar nichts können."

Doch Theseus erwidert:

  "So wollen wir dankbar sein für dieses Nichts,
  und allerlei gütig nachsehen.
  Wo arme Treue aus eigener Kraft nicht hinreicht,
  Nimmt edler Sinn die Absicht für die Tat."

Diese Absicht des Theseus, das Stück wohlwollend zu betrachten, wird allerdings durch seine Tat in ihr Gegenteil verkehrt. Es gelingt Theseus nicht, den hier ausgesprochenen Vorsatz bei der Aufführung des Theaterstücks festzuhalten. Im Gegenteil verhält er sich genau entgegengesetzt. Er unterbricht das Theaterstück immer wieder durch beißenden Spott.

c) Pyramis und Thisbe

Das Theaterstück innerhalb des Theaterstücks beginnt. Zunächst wird vom Regisseur Squenz der Prolog vorgetragen, in dem die Handwerker beteuern wollen, dass sie das Stück, das sie spielen, lediglich zur Freude und zum Wohlgefallen der Hofgesellschaft aufführen. Squenz trägt aber den Prolog mit solchen Pausen vor, dass er genau die entgegengesetzte Bedeutung erhält, was schriftlich an einer den Sinn total verkehrenden Zeichensetzung zum Ausdruck kommt. Danach stellt Peter Squenz die Rollen und den Inhalt des Stückes vor. Das Stück spielt im alten Babylon, sozusagen an der Schwelle der Menschwerdung. Pyramis liebt Thisbe und Thisbe liebt Pyramus. Aber ihre Väter sind verfeindet, so dass sie sich nicht verbinden können. Sie wohnen nebeneinander und dürfen sich nicht sehen. Die Mauer oder Wand, die sie voneinander trennt, hat jedoch einen Spalt, durch den sie sich immer wieder verständigen und gedanklich liebkosen. Schließlich beschließen sie die Flucht und vereinbaren, sich nachts bei Mondschein an einem Grabmal mit Brunnen zu treffen, um von dort zu fliehen. Thisbe erreicht den Treffpunkt zuerst. Als sie dort auf Pyramis wartet, kommt ein Löwe, um aus dem Brunnen zu trinken. Thisbe flieht, verliert aber auf der Flucht ihr Tuch. Der Löwe zerreißt das Tuch und zieht sich zurück. Pyramis kommt zum Treffpunkt und findet nicht Thisbe, sondern nur das zerrissene und blutige Tuch. Er glaubt, dass Thisbe vom Löwen gefressen worden sei. In seinem Schmerz bringt er sich um. Thisbe kehrt zum Treffpunkt zurück und findet den toten Pyramus. In ihrer Verzweiflung bringt sie sich ebenfalls um.

Die Handwerker spielen das Stück grauenhaft schlecht. Sie verwenden einen dürftigen Text, schlechte Bilder, falsche literarische Zitate und fallen sogar gelegentlich aus der Rolle. Sie werden 12 mal kommentiert, mitunter unterbrochen, zumeist von Theseus Spott, dem sich auch die anderen anschließen. Theseus und die anderen Mitglieder der Hofgesellschaft sprechen nicht mehr in Versen wie bisher. Sie sind jetzt in ihrer Sprache selbst in die Prosa der Handwerker herabgefallen. Die Sprache entlarvt sie als Banausen. In Versen sprechen nun die Handwerker, wenn sie ihre Rollen spielen. Kaum ist das Stück zuende, spricht Theseus wieder in Versen. Nur als Theaterzuschauer, der sich die Zeit mit Spott vertreiben will, spricht er in Prosa.

Für den Spott der Hofgesellschaft will ich nur ein Beispiel geben. Als der Handwerker auftritt, der mit einer Laterne aus Horn in der Hand den Mond spielt, sagt er:

  "Die Hornlaterne hier zeigt den gehörnten Mond..."

Da unterbricht Demetrius:

  "Er hätte seine Hörner auf dem Kopf tragen sollen."

Aber Theseus versetzt:

  "Er ist doch kein Sichelmond! 
  Seine Hörner stecken unsichtbar in seinem runden Kopf."

Daraufhin fängt der Mond ärgerlich noch einmal an:

  "Die Hornlaterne hier zeigt den gehörnten Mond,
  Ich selbst der Mann im Mond zu sein schein..."

Diesmal unterbricht Theseus:

  "Das ist von allen Irrtümern der größte. Der Mann müsste in die Laterne
  hineingesteckt werden. Wie kann er sonst der Mann im Mond sein."

Demetrius versetzt:

  "Da wagt er sich nicht hinein, wegen der Kerze. 
  Denn, seht Ihr, sie flackert so schon ganz wütend."

Hippolyta stellt fest:

  "Ich habe diesen Mond satt, ich wollte, er veränderte sich."

Daraufhin spottet Theseus:

  "Ein großes Licht scheint er ja nicht zu sein. 
  Demnach ist er wohl im Abnehmen begriffen..."

So witzelt in erster Linie Theseus, die anderen schließen sich an. Lediglich als Thisbe den toten Pyramis findet und sich selbst ebenfalls ersticht, hält die Hofgesellschaft Ruhe. Dies ist die einzige ergreifende Szene des Theaterstücks der Handwerker, obwohl auch sie mit zahlreichen komischen Fehlern gespickt ist. Aber nachdem Thisbe gestorben ist, sagt Theseus:

  "Mondschein und Löwe sind übrig geblieben, um die Toten zu begraben."

Demetrius erkennt noch einen Totengräber und sagt:

  "Ja, und die Wand auch."

Doch Zettel widerspricht:

  "Nein, sag ich Euch! Die Wand ist eingefallen, die ihre Väter trennte."

Damit zeigt Zettel, dass er trotz aller Fehler, die in der Aufführung gemacht wurden, das Stück besser verstanden hat als Theseus, der es von sich fernhielt und es als bloßen "Schatten" betrachtete. Theseus hatte an dem Stück überhaupt kein Interesse. Er wollte spotten. Das Zerstreuende für ihn war der Genuss der Spiegelung seiner Herrschaft, der ihm durch die zahlreichen Schnitzer der Handwerker ermöglicht wurde. Die Tölpelhaftigkeit und Unfähigkeit seiner Untertanen war sein Vergnügen, und darin schloss sich ihm die Hofgesellschaft an. Theseus kann die Verbindung der ihm im Theater gebotenen Handlung und seiner eigenen Erlebnisse nicht sehen. Er selbst hätte Hermia zum Tod verurteilen sollen, weil sie nicht den Mann heiraten wollte, den ihr Vater ihr bestimmt hatte. So wäre er beinahe selbst einer der Hauptdarsteller einer ähnlichen Tragödie geworden. Aber diese Vergleichbarkeit mit seinen eigenen jüngsten Erlebnissen und Verhaltensweisen erkennt Theseus nicht. Auch Lysander und Demetrius sehen nicht, dass der Inhalt des Theaterstücks die Ereignisse widerspiegelt, die sie selbst erlebt haben, sondern distanzieren sich roh von diesem Inhalt. Nur Hippolyta scheint ernsthaft darunter zu leiden, dass die Handwerker nicht in der Lage sind, das Theaterstück in einer Weise aufzuführen, die der Handlung und dem Inhalt entspricht.

d) Die Wahrheit des Theaters

Der 5. Akt zeigt die Wahrheit des "happy end", nämlich die Normalität der Herrschaft. Sie erscheint in dreifacher Weise . darin, dass Theseus und Hippolyta, Demetrius und Lysander das Stück immer wieder mit Spott unterbrechen und sich über die Bemühungen der Handwerker lustig machen, 2. darin, dass Hermia und Helena als stumme Rollen die ganze Zeit auf der Bühne sind und nichts mehr zu sagen haben, und 3. darin, dass die Hofgesellschaft das Theaterstück nicht verstehen will und kann.

Theseus hat weder an diesem Theaterstück noch am Theater überhaupt irgendein Interesse. Was ihn zerstreut ist die Anschauung seiner Herrschaft und der Spott über die Tumbheit der schauspielernden Handwerker. Theater ist überhaupt nur "Schatten", Traum mit dem man sich nicht beschäftigen muss. Theseus zerstört deswegen das Stück. Er eröffnet auch Anderen die Möglichkeit, sich über die Handwerker zu erheben. Theseus versteht deswegen nicht die Handlung des Theaterstücks.

Der - im "Sommernachtstraum" geschilderte - Konflikt ist nur mit Hilfe des Oberon und seiner magischen Mittel positiv ausgegangen. Hätte Oberon nicht an der Seite der Liebenden gestanden, so wären sie nicht in diese erfreuliche Lage gekommen, in der sie sich nun befinden. Denn gewöhnlich endet ein Drama, das so beginnt wie der "Sommernachtstraum", mit dem Tod der Liebenden, wie das bei Pyramus und Thisbe der Fall ist. Parallel zum "Sommernachtstraum" soll Shakespeare auch an "Romeo und Julia" gearbeitet haben. Auch dort endet ein ähnlicher Konflikt mit dem Tod der Liebenden. Romeo und Julia sterben wie Pyramus und Thisbe in dem Versuch, ihre Liebe unter widrigen Umständen durchzusetzen, und der Tod der beiden reißt die Wand zwischen den Vätern nieder. Angesichts des Verlustes der Tochter, bzw. des Sohnes kommen die Familien zur Einsicht der verderblichen Folgen ihres Streits, aber zu spät.

Das Theater ist nicht die Wirklichkeit. Das Theater im Theater ist die Nichtwirklichkeit der Nichtwirklichkeit, also das, was in Wirklichkeit ist. Die Wirklichkeit zeigt, dass die Liebe von Pyramis und Thisbi, die Liebe derer, die verfeindete Väter haben, zum Tod der Liebenden führt. Aber die Herrschaften der Hofgesellschaft verstehen das Theaterstück nicht, in dem ihnen das gezeigt wird. Denn zu ihrer Herrschaft gehört, dass sie sich den Blick auf diese ihre Rolle verstellen. Es gehört zum Patriarchat dazu, dass man die Existenz des Patriarchats und seine Folgen leugnet.

Durch die Tölpelhaftigkeit der Handwerker wird die Aufführung des eigentlich tragischen Stücks zu einer Komödie. Das Unvermögen der Handwerker macht lachen. Bei "Ein Sommernachtstraum" von Shakespeare ist es genau umgekehrt: Die große Kunst in "Ein Sommernachtstraum" besteht darin, eine an sich tragische Geschichte, die normalerweise mit dem Tod der Liebenden enden müsste, mit künstlerischen Mitteln in eine Komödie zu verwandeln, die so zwischen Komödie und Tragödie schillert. So verkehrt sich die Komödie ins Tragische und die Tragödie ins Komische, und diese Verrücktheit spiegelt die Verrücktheit des "happy end". Denn das "happy end" bedeutet einerseits, dass die Liebenden sich kriegen, aber andererseits auch, dass sie in der Normalität patriarchaler Verhältnisse ankommen. Zu dieser Normalität gehört, dass man sich der Erkenntnis verschließt, dass es ein Patriarchat gibt.

Darin steckt schließlich auch die Karikatur einer Art des Theaterbesuchs, die auf Distanzierung von der Geschichte beruht. Man verschließt sich als Zuschauer oder auch als Interpret der Wahrheit des Theaters, wenn man den Zusammenhang zwischen der Wirklichkeit und dem Stück übersehen will, etwa um sich zu zerstreuen oder die Zeit zu vertreiben. Dieses "Sich Verschließen" ist dasselbe, wie die Behauptung des Theseus, dass die Ereignisse im Wald bloße Träume seien. Die Zerstreuung gelingt. Die Zeit ist vergangen, und die Paare können zu Bett gehen. Das Elfenkönigspaar erscheint mit Puck, um die Hochzeitspaare zu segnen.

Traum oder Wahrheit?

Nachdem Oberon und Titania die Paare gesegnet haben, spricht Puck einen Epilog. Die Elfenwelt hat das letzte Wort. Puck, der immer alles verwirrt und verkehrt, weist auf die Möglichkeit hin, das Theaterstück als einen bloßen Traum zu betrachten, wenn einen Zuschauer der Inhalt stört:

  "Wenn wir Schatten Euch missfielen,
  Denkt zum Trost von diesen Spielen,
  Dass Euch hier nur Schlaf umfing,
  Als das alles vor sich ging.
  Dies Gebild aus Schaum und Flaum,
  Wiegt nicht schwerer als ein Traum..."

Dieses Stück als bloßen Traum zu betrachten, ist ein von Puck inszenierter Schabernack, eine Verkehrung. Denn in Wahrheit ist das im Theater Gezeigte das der Wirklichkeit Zugrundeliegende. Dieses Zugrundeliegende auszudrücken, auszusprechen und in seiner Wirksamkeit auf die Gegenwart bis heute aufzuzeigen, ist in "Ein Sommernachtstraum" großartig gelungen. Zuletzt aber stellt Shakespeare den Zuschauer vor die Entscheidung: Herrschaft - das heißt das Stück als Traum missverstehen - oder Wahrheit - die man im Theater sieht?

Fußnoten

  1. Shakespeare wird in der Übersetzung von Erich Fried zitiert. Erich Fried: Shakespeare, Band I, Berlin 1989. Der Sommernachtstraum, S. 263 - 310.
  2. Die Zeit im Theaterstück des "Sommernachtstraum" ist ein diskutiertes Thema. Shakespeare zieht die Zeit im Theaterstück zusammen. Es soll nach den Anfangsversen noch vier Tage bis zur Hochzeit sein. Es scheint aber nur eine Nacht zu vergehen, bis die Hochzeit stattfindet. Im Theater wird die Zeit zusammengezogen, um die Handlung straff durchzuführen. Aber auch die Entwicklung im Theaterstück wird zeitlich verkürzt. Der Sieg des Patriarchats scheint soeben stattgefunden zu haben, da handelt es sich schon um eine Gewohnheit, auf die Egeus sich berufen kann.
  3. Die Trennung der Frauen von der Sexualität ist nicht beschränkt vorzustellen. Sexualität ist eine der Gattungskräfte der Menschen. Den Frauen ist es unter den Bedingungen des Patriarchats nicht oder nur sehr schwer möglich, ihre Gattungskraft für sich zu nutzen, weil sie durch die Männer von dieser Kraft getrennt sind. Wenn sich gelegentlich die Frage stellt, warum Frauen in der Geschichte der Kultur und der Wissenschaft eine so geringe Rolle spielen, dann ist an diesen Zusammenhang zu denken. Zur Idee der Trennung von der eigenen Sexualität als einer Gattungskraft, s. Uschi Siemens: Produktivkraft Sexualität, 2003.
  4. Oberon kann über Titania nicht herrschen, weil Titania unsterblich ist. Oberon kann sie daher nicht mit dem Tod bedrohen. Dies ist aber eine Bedingung für Herrschaft, dass der Beherrschte vom Herrschenden mit dem Tod bedroht wird.
  5. Erich Fried versucht dieses Wortspiel im Deutschen nachzuahmen, indem er übersetzt: "Hier bin ich, und wild wallt mein Blut in diesem Wald ..."
  6. Uschi Siemens, Produktivkraft Sexualität, 2003.
  7. Man kann sich das leicht anhand eines Schlusses vorstellen. Oberon hat Macht über die Liebe, subsumiert sich die Liebe. Die Liebe hat Macht über Titania, subsumiert sich Titania. Also hat Oberon Macht über Titania, subsumiert sich Titania. In dem Obersatz dieses Schlusses subsumiert Oberon sich - mit magischen Mitteln die unendliche Macht der Liebe, unterwirft sie seiner Botmäßigkeit.
  8. Es ist schön, wenn Frauen schön sind. Das Gleiche gilt für Männer. An dieser Stelle aber ist die Konkurrenz um Schönheit ein Ausdruck des Umstandes, dass Frauen gefreit werden müssen und selbst nicht freien können. Die Schönheit tritt hier an die Stelle des "Selber Handelns". Sie ist die Form, in der Frauen auf sich aufmerksam machen können. Sie ist Ausdruck des Objektcharakters der Frauen im Geschlechterverhältnis. Im Zusammenhang mit Männern ist daher von Schönheit bei Menschen nicht die Rede. Nur Titania nennt den sterblichen und ihr unterworfenen Zettel schön.
  9. Der Genuss der höheren Harmonie der scheinbar wild durcheinander bellenden Hunde ist ein Bild für die Perspektive der Herrschaft auf die vielen verschiedenen Geschichten, die aus der Perspektive von oben betrachtet, eine Harmonie ergeben. Diese Stelle wird angeführt, um zu Belegen, dass im "Sommernachtstraum" verschiedene Stränge der Erzählung durch die Hochzeit des Theseus zu einer Einheit verknüpft werden. Dem ist soweit zuzustimmen. Aber diese Verknüpfung ist keine äußerliche. Sie verknüpft nicht Geschichten, die eigentlich nichts miteinander zu tun hätten. Im Gegenteil spiegeln die Geschichten einander und bilden eine Einheit, eben eine Harmonie. Sie sind alle Ausdruck der Herrschaft des Patriarchats, und diese Einheit der Geschichten zu übersehen, verstellt nicht nur den Inhalt des Stücks, sondern ist ebenfalls Ausdruck des Patriarchats beim Interpreten, wie sich noch zeigen wird.
  10. In diesem Theaterstück bedeutet die Tatsache, dass eine Rolle keinen Text mehr hat, nichts anderes, als dass die Person nichts mehr zu sagen hat. Dieses Schicksal erleidet nicht nur Egeus, auch Hermia und Helena werden es bald zu erdulden haben.